Leserbrief: „Toxische Liebe und Angst“

In seinem Leserbrief beschreibt Harald Munk „die Liebe der in Deutschland lebenden Menschen in die Verwaltung auf allen Ebenen“.

Die Liebe der in Deutschland lebenden Menschen in die Verwaltung auf allen Ebenen des Landes ist eine Romanze in sich! Kein Tag darf es geben, ohne dass jedem einzelnen der Satz in die Gedanken steigt, es kann doch nicht sein, dass irgendjemand irgendetwas unternimmt oder annimmt, ohne dass es dafür eine Vorschrift gibt und dies nicht zu kontrollieren wäre. So ist es bewundernswert, dass es die Bürokratie schafft, aus jedem kleinen Anliegen ein Abenteuer mit unbekanntem Ausgang zu machen. Man könnte meinen, die Verwaltung sei das Herzstück einer eigenen Kultur aller Menschen dieses Landes, ohne die nichts geht. Ein Leben ohne Formulare, Genehmigungen, Unterschriften, Nachfragen, Belehrungen, darstellendes und mögliche und weiteren Nachfragen. Man stelle sich eine Welt in Deutschland vor, ohne Statistiken über jeden Lebensvorgang! Auch diese beruhen auf stetigen Nachfragen und Belehrungen, Formularen, die auszufüllen sind, welche die Menschen in Deutschland doch irgendwie belasten, aber doch kleinteilig, wenn es um den hohen Informationswillen geht, glücklich machen. Hier soll aber nicht auf die Bürokratie geschimpft werden, denn hinter all dem steckt natürlich nur das Bestreben, alles ordentlich und geregelt zu haben, auch wenn die Auseinandersetzung mit den Behörden und dem Papierkram und Paragrafen manchmal den Eindruck erwecken, als würde man in einem Labyrinth des Lebens verloren gehen.

Dies alles folgt auch unserer aller Welt als Lehre vorauseilendem Menschenbild. Man stelle sich vor ein Metzger beabsichtigte seine Wurst in höchster Qualität herzustellen, ein Bäcker leckere und gesunde Brötchen zu backen, ein Maurer eine Mauer stabil herzustellen, ein Unternehmer sichere Produkte produzieren, eine Ärztin die einfach nur Gutes will für ihre Patienten oder eine Pflegekraft, die Menschen stets, nur helfen will, ohne dass dies alles dokumentiert, nachgefragt und kontrolliert wird. Wie soll man dem Nächsten die Verantwortung für seine eigenen Entscheidungen übertragen, wenn nicht alles bis in Detail aufgeschrieben und ausgewertet wird? So sind wir wieder bei unserem Satz, es kann doch nicht sein, dass irgendjemand irgendetwas tut, ohne dass dies kontrolliert und überwacht wird. Ein Menschenbild, das von einem guten Menschen ausgeht, der sich rechtstreu verhalten will, ist gerade zu naiv und sollte auf jeden Fall vermieden werden. Nur stetiges Misstrauen, Kontrolle und Überwachung durch gute ausgebildete Verwaltungskräfte der Behörden schaffen Recht und Ordnung. Ordnung ist bekanntermaßen auch das halbe Leben. Die Frage wäre hier aber schon, wer mag denn halbe Sachen?

Wo sollen auch alle studierten und gelernten Fachkräfte aus der Verwaltung hin, wenn man nicht akzeptieren würde, dass das Ganze auch seinen eigenen Charme hat. Es ist nämlich schon eine Kunst, sich durch den Dschungel der Vorschriften zu schlagen, nichts zu übersehen, und sei die Regel auch noch so gut versteckt oder absurd, um sich nicht dann immer noch dem Vorwurf fehlender Professionalität und Perfektion ausgesetzt zu sehen. Wo bliebe der Satz: Wo kämen wir nur hin, wenn plötzlich die Leute auf die Idee kommen würden auszuprobieren, wo wir denn hin kämmen, wenn wir einmal dorthin gehen würden, von dem wir behaupten, wo wir hinkommen, wenn wir denn hingingen. Vielleicht entdeckten wir eine Welt der Selbstverantwortung und des verlangten Erwachsenseins. Mir werden wohl viele zustimmen, dass sich durchaus jeder Einzelne zutraut, alles richtigzumachen und keiner Kontrolle zu bedürfen. Aber was würde passieren, wenn wir dies auch dem Nachbarn unterstellen. Angst würde ausbrechen, Sorge, Verzweiflung, dass wir nicht wüssten, was ein anderer tut, wenn wir dies nicht kontrollieren ließen. Kommen wir zurück auf die qualifizierten Fachkräfte in der Verwaltung, man muss ja auch sagen, diese haben nicht ohne Grund schwer ihr Fach gelernt oder studiert, um jetzt nicht wenigstens auch eine Vorschrift zu verdienen, die ihnen ermöglicht, Menschen zu sagen: So einfach ist das nicht. Wäre es vielleicht doch oft so einfach, würde dies viele fachliche Qualifikationen im Einzelfall infrage stellen.

Als Höhepunkt lässt sich natürlich noch anführen, dass es ja nicht sein kann, dass irgendjemand für irgendetwas selbst verantwortlich sein soll. Auch hier muss es stetige Regeln, Genehmigungen, Vorschriften, Möglichkeiten der Nachfrage, Korrekturen, Rücksendungen und Genehmigungsverweigerungen geben. Kommt nämlich beispielsweise etwa eine Person bei einem Brand in einem Gebäude zu Schaden, den es vorher nie gegeben hat, würde sich ja im Nachhinein sofort die Frage stellen, wieso das nicht bereits präventiv geregelt war. Unverantwortlich!

Der Nachteil an dieser charmanten Welt ohne eigene Verantwortung und der Kontrolle über alle ist aber, dass sie nahezu unbezahlbar, im Ergebnis abschreckend ist und jedes wertvolle Handeln des Einzelnen im Keim erstickt. Wie viel Prävention verträgt die eigene Freiheit? Wenn wir unsere Liebe zur Verwaltung nicht begrenzen, müssten wir, die uns angeborene Vernunft, unseren Wohlstand und unser individuell zweckmäßiges Sein stetig mehr nach hinten stellen und uns darauf verlassen, dass die besten Ideen stets von einer Verwaltung oder der darüber stehenden politischen Führung kommen. Die Expertise für Wohlstand und Fortschritt kommt aber leider von der Individualität und dem Gedankenreichtum der Einzelnen. Wir werden wohl früher oder später erkennen müssen, dass das Experiment des Willens, totaler Kontrolle, Ordnung, Sicherheit und Wohlfühens schon öfter probiert wurde und stets in Armut, Verfall und einem hohen Grad an Unglück für alle geendet ist. Wir werden unsere Liebe zur Verwaltung, so schmerzvoll dies sein mag, auf das Notwendige reduzieren müssen, wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen. Dies tut weh, aber vielleicht sollten wir doch mal dahin gehen, wo wir hinkämen, wenn wir gingen, nachdem wir gesagt haben, wo kämen wir denn da nur hin. Es könnte nämlich sein, bei aller eingebildeten Überlegenheit der hier lebenden Menschen gegenüber allen anderen Menschen, diese anderen unwissend über die Überlegenheit der hier lebenden Menschen, nicht davon abhalten zu können, Fortschritt und Wohlstand nur noch an anderen Stellen der Erde zu mehren.

 

Harald Munk
Neuberg

 

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