(ms/ea) – Über die sogenannte „Kontaktnachverfolgung“ wurde bisher breit berichtet. Die Kapazitäten der Gesundheitsämter in diesem Bereich wurden sogar als Begründung für weitreichende Grundrechtseingriffe der Bevölkerung herangezogen. Doch wie sehen die Zuständigkeiten bei Verstößen gegen die Corona-Verordnungen aus? Welche kamen vor, wie wird geahndet? Erlensee Aktuell hat beim Main-Kinzig-Kreis, der Polizei und beim Ordnungsamt in Erlensee diesbezüglich nachgefragt.
Die Pressestelle des Main-Kinzig-Kreises antwortete wie folgt auf die gestellten Fragen:
Wer ist in erster Linie für die Verfolgung von Verstößen zuständig? Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsamt und Ordnungs- bzw. Landespolizei geregelt? Auf welchem Wege erlangen die Behörden Kenntnis von Verstößen? Wie sieht der Bearbeitungsweg aus?
Für die Kontrollen in den Städten und Gemeinden sind die Polizei und die Ordnungsämter zuständig. Sie kennen die Verordnungslage und stellen entsprechende Überprüfungen an. Das kann die Öffnungszeiten und Angebote von Betrieben betreffen, ebenso die Überprüfung der Personalien, wenn mehr Menschen als erlaubt aus unterschiedlichen Haushalten im öffentlichen Raum zusammenkommen.
Unserer Kenntnis nach sind oft Hinweise aus der Bevölkerung der Anlass für gezielte Kontrollen. Bei einem möglichen Verstoß erfassen die Kontrolleure die Daten und leiten alle Angaben an das zuständige Gesundheitsamt weiter, in unserem Fall also das Amt für Gesundheit und Gefahrenabwehr in Gelnhausen. Von dort aus können nach neuerlicher Prüfung Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden.
Bei den Verstößen gegen die Corona-Verordnungen handelt es sich wohl meistens um Ordnungswidrigkeiten.
In welcher Höhe werden hier Verwarnungsgelder verhängt?
Für die überwiegende Zahl der Ordnungswidrigkeiten bei Einzelpersonen werden die Mindestsätze von 50 Euro Bußgeld (Verstoß gegen die Pflicht, eine geeignete Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen) sowie 200 Euro Bußgeld (Verstoß gegen Kontaktverbot im öffentlichen Raum) verhängt.
Gibt es darunter auch Verstöße, die als Straftaten zu bewerten sind?
Dieser Begriff ist eng gefasst. Das wäre möglicherweise der Fall, wenn eine positiv auf das Coronavirus getestete und nachweislich ansteckende Person ganz bewusst die Isolations-Auflagen bricht und andere Menschen ansteckt. Das ist grundsätzlich vorstellbar, aber in der Praxis kaum nachzuweisen. Die Tatbestandsmäßigkeit der Straftat ist bereits wegen der ungewissen Infektionsübertragung fraglich. Von daher werden diese Strafverfahren mangels Beweislage von der Staatsanwaltschaft in der Regel eingestellt und an die zuständigen Gesundheitsämter zurückverwiesen, damit in eigener Zuständigkeit ein Ordnungswidrigkeitsverfahren geprüft werden kann.
Wie verhalten sich zahlenmäßig die Art der Verstöße zueinander? Wie viele Verstöße wurden bislang geahndet?
Es sind bis 9. April 2.508 Bußgeldbescheide verschickt worden. Im Wesentlichen betreffen diese
– Verstöße gegen die Maskenpflicht (1.175 Bescheide)
– Verstöße gegen Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum (870 Bescheide)
– Verstöße gegen die nächtliche Ausgangssperre (236 Bescheide)
Gibt es erkennbare Muster, wie z.B. Alter, Gruppen oder Tages/Wochenzeiten?
Das ist schwer zu clustern. Wenig überraschend handelt es sich bei Verstößen gegen Kontaktbeschränkungen eher um private Treffen, und das öfter am Wochenende als unter der Woche. Verstöße ziehen sich aber durch alle Generationen.
Die Pressestelle des Polizeipräsidiums Südosthessen antwortete:
Wie ist die Polizei bei der Kontrolle der Corona-Verordnungen eingebunden?
Grundsätzlich sind für die Ahndung und Verfolgung von Verstößen gegen die Corona-Verordnungen des Landes Hessen und die Allgemeinverfügungen des MKK das Gesundheitsamt des MKK und die Ordnungsämter der Kommunen zuständig. Die Polizei unterstützt im Rahmen der Amtshilfe die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften.
Zwischen den Polizeidienststellen und Ordnungsämtern finden kontinuierlich Kontaktaufnahmen und Lagebewertungen statt. Neben den täglichen Kontrollmaßnahmen des Wechselschichtdienstes werden speziell für die Überwachung der Einhaltung der geltenden Coronabestimmungen abgestellte Polizeibeamte eingesetzt. Hierbei erhält/erhielt die Polizeidirektion Main-Kinzig unter anderem Unterstützung von anderen Dienststellen des Präsidiums sowie der Bereitschaftspolizei. Lageabhängig finden gemeinsame Kontrollen mit den Ordnungsämtern der jeweiligen Kommunen statt.
Welche Art von Verstößen wurden geahndet? Wie groß ist die Anzahl der festgestellten Verstöße? Wie sehen die Häufigkeiten aus?
Nachfolgend die Zahlen für März 2021 für das Gebiet der Polizeidirektion Main-Kinzig:
- Anzahl durchgeführter Kontrollen: 149
- Verstoß gegen Tragepflicht Mund-Nasen-Bedeckung: 57
- Verstoß gegen Aufenthalt mit maximal 2 Haushalten und maximal 5 Personen (Kinder bis 14 Jahren zählen nicht): 83
- Zusammenkünfte oder Veranstaltungen (ohne Genehmigung der zuständigen Behörde): 24
- Konsum von Alkohol auf publikumsträchtigen öffentlichen Plätzen: 3
- Missachtung Schließung Gaststätten, Bars, Clubs, Spielotheken, Massagesalons, Tattoostudios: 3
Es wird darauf hingewiesen, dass Ordnungswidrigkeitsanzeigen teilweise mehrere Verstöße, die von einer Person begangen wurden bzw. einen Verstoß, der von mehreren Personen begangen wurde, beinhalten können.
Gab es besonders erwähnenswerte „Corona-Einsätze“?
Am 23.01.2021 wurde der Polizeistation Hanau I ein anonymer Hinweis zugetragen, dass in einem Wohnhaus in der Langstraße in Hanau eine nicht genehmigte Musikveranstaltung mit einem DJ stattfinden würde. Zwecks weiterer Überprüfung und Aufklärung wurde daraufhin eine Zivilstreife nach dort entsandt. Von außen konnten zunächst keine Feststellungen einer Party in dem vierstöckigen Mehrfamilienhaus gemacht werden. Nachdem die Streife Zugang ins Treppenhaus erhielt, konnte im Dachgeschoss aus dem Inneren einer dortigen Wohnung Musik und Stimmen vernommen werden. Da in diesem Moment unerwartet die Türe von Innen geöffnet wurde, gab sich die Zivilstreife dem Türöffner zu erkennen. Dieser versuchte sofort die Türe zu schließen, was jedoch unterbunden werden konnte. Die Person flüchtete hierauf in die Wohnung und wurde dort gestellt. Wie sich herausstellte, wurde die Wohnung komplett zweckentfremdet, um dort Musikveranstaltungen durchzuführen. Im Inneren wurden Tresen mit DJ-Pult, Sitzlounges, Stehtische, Geldspielautomaten sowie Getränkekühlschränke aufgestellt. In zwei separierten Zimmern konnten zudem zwei weibliche Personen angetroffen werden, welche sich als „Escort-Damen“ zu erkennen gaben. Es konnten insgesamt 35 Personen in der Wohnung festgestellt werden. Gegen den anwesenden Mieter der Wohnung und zugleich Veranstalter wurden mehrere Ermittlungsverfahren (u. a. Corona-Verordnung, illegale Prostitution) eingeleitet. Gegen alle anwesenden Personen wurden entsprechende Verfahren wegen Corona-Verstößen eingeleitet.
Generell lässt sich jedoch feststellen, dass die angetroffenen Personen in der Regel nach Ansprache durch die kontrollierenden Polizeikräfte einsichtig sind. Witterungsbedingt fanden größere Kontrollmaßnahmen im Bereich Spessart und Flörsbachtal („Bayerische Schanz“) bzw. der Freizeitanlage „Am Hochgericht“ in Hanau statt.
Das Ordnungsamt der Stadt Erlensee antwortete wie folgt:
Wo liegen die Arbeitsschwerpunkte des Ordnungsamtes im Bereich der Corona-Verordnungen?
Stichwortartig die wesentlichen Arbeitsfelder des Ordnungsamts Erlensee im Bereich der Überwachung der Corona-Verordnungen:
- Überwachung der sich ständig verändernden Coronaverordnungen
- Beratung der Gewerbetreibenden in Bezug auf die Verordnungen (Wer darf wann und wie öffnen darf, wieviele Personen eingelassen werden dürfen)
- Tägliche Bearbeitung von Bürgeranfragen außerhalb von „Coronetz“
- Kontrolle der Umsetzung der Regelungen in Gaststätten, Wettbüros, Baumärkten
- Unterstützung von Gewerbetreibenden (z. B. im Baumarkt oder Autohof) bei „widerspenstigen“ Kunden
- Überwachung der Hotspots
- Überwachung der Ausgangssperren (auch zu den Nachtstunden)
- Beratung der Vereine
- Aufnahme von Anzeigen nach der Feststellung von Verstößen
- Übermittlung der positiven Corona-Testergebnisse an die erkrankten Personen in Amtshilfe für das Gesundheitsamt
- Gemeinsame Maßnahme mit der Polizei, z. B. bei Personenüberprüfungen
- Ständige Beratung mit den städtischen Einrichtungen bei Erkrankungen – hauptsächlich Kitas und TKJE
- Überwachung der Umsetzung von Hygieneschutzkonzepten
Archivfoto: Markus Sommerfeld