Bürgermeisterkandidatin Carmen Merz im Erlensee Aktuell-Interview

(ms/ea) – Die Reihe der Interviews zur Bürgermeisterwahl am 8. September 2019 in Erlensee wird heute mit Bürgermeisterkandidatin Carmen Merz fortgesetzt.

Welches ist Ihr stärkstes Motiv, sich für das Amt des Bürgermeisters zu bewerben?

Ausschlaggebend waren die Jahre 2013 bis 2015, in denen der Kabeldiebstahl im Fliegerhorst stattfand und Erlensee von Vandalismus überzogen wurde. Die Bürger waren hilflos, von der Stadtverwaltung kamen salbungsvolle Worte: „Zuständig ist die Polizei.“ Da wurde ich selbst aktiv und habe als Privatperson die Bürgerinnen und Bürger unterstützt. Bürgernähe, so scheint es, ist in Erlensee – außer in Wahlkampfzeiten – ein Fremdwort. Deswegen bin ich in die Kommunalpolitik gegangen, wo man leider auch eine gewisse politische Ignoranz antrifft, vielleicht eine sogenannte Realitätsfremde. Unsere als NFE-Fraktion gestellten Anträge unter anderem zum Thema Ordnungspolizei wurden zunächst belächelt und abgeschmettert, nun von der SPD und den Grünen als Wahlkampfthema von uns übernommen.

Das alles waren für mich Beweggründe, zu kandidieren.

Welche Kenntnisse und Fähigkeiten sollte ein Kandidat mitbringen?

Bürgernähe steht hier an erster Stelle. Dann sollte man mit offenen Augen durch Erlensee und die Region gehen. Ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin sollte ein offenes Ohr für die Wünsche und Nöte der Bürgerinnen und Bürger haben und diese im alltäglichen Arbeitsablauf in Verwaltung und Planung einfließen lassen.

Warum sollen sich die Wähler gerade für Sie entscheiden?

Weil ich unabhängig, ehrlich und kampfbereit bin, sowie Probleme sehe und lösen möchte.

Welche drei Themenfelder sind für Sie vorrangig?

Die massive Versiegelung stoppen und somit auch die Naherholungsmöglichkeiten bewahren:

Die Naturflächen müssen vor weiteren Eingriffen bewahrt und ausgebaut werden. Eine weitere Bebauung ist sinnvoll zu planen. Meine Sorge gilt auch den Bewohnern der Neubaugebiete, die ursprünglich dachten, ins Grüne zu ziehen. Hier muss lebenswertes Wohnen an erster Stelle stehen.

Sicherheit:

LKW-Verkehr muss aus innerörtlichen Straßen ferngehalten werden. Die Stadt muss ein eigenes Blitzgerät anschaffen. Auch an Wochenenden sollte sporadisch die Ortspolizei eingesetzt werden. Rechtsfreie Zonen im Verkehrsbereich dürfen nicht länger geduldet werden. Gegen die Drogenszene muss mit ausgebildeten Fachleuten vorgegangen werden.

Wirtschaft:

Ich möchte kleine und mittelständische Firmen unterstützen, denn diese zahlen eine Gewerbesteuer und schaffen dauerhafte Arbeitsplätze. Sie stehen für eine solide Wirtschaftsbasis.

Zitat: „Die Vielfalt des Einzelhandels hat in den letzten Jahren stark abgenommen. In der Friedrich-Ebert-Straße bekommt man beispielsweise nur noch die Spiegel abgefahren.“ – Haben Sie Ideen, unter anderem am Beispiel der Friedrich-Ebert-Straße, wie man die Entwicklung stoppen oder umkehren kann?

Erlensee ist leider nur noch Hochburg für Großinvestoren. Es besitzt kein Gemeinschafts-Flair mehr. Ich werde versuchen, wieder kleinere Geschäfte, wie einen Fotografen oder einen Schuster anzusiedeln, indem man dafür Werbung macht und ihnen Vergünstigungen anbietet.
Erlensee hat an Wohlfühlfaktor extrem verloren, weil es nur noch um Profit geht.

Zitat zum Thema Klimawandel: „Es wird immer heißer und trockener, und in Erlensee wird alles zugepflastert.“ – Haben Sie Vorschläge, städtische Wärmeinseln zu verhindern oder abzumildern? Welchen Beitrag sollte Erlensee leisten, den CO2-Ausstoß zu verringern?

In meinem Pressebericht, in dem ich eine Hochzeitsallee vorschlug, an der jedes Brautpaar einen Baum pflanzen kann, habe ich auch auf das Förderprogramm des Bundes hingewiesen, wonach Privatpersonen für das Anlegen von Grünflächen unterstützt werden. Wir brauchen generell mehr Alleen, mehr Bäume und mehr Grünflächen. Außerdem müssen wir unseren Wald schützen, daher habe ich mich sehr dafür eingesetzt, die Süd-Tor-Straße zum Fliegerhorst nicht zu öffnen.

Brauchen wir ein Dokumentationszentrum Fliegerhorst?

Wir haben einen gut aufgestellten Geschichtsverein, der sich sehr intensiv mit der Geschichte des Fliegerhorstes befasst und unzählige Dokumente gerettet und bewahrt hat. Auf diesen Verein können wir stolz sein, er müsste von der Stadt gefördert werden. Hochbezahlte Professoren, die ein Dokumentationszentrum vorbereiten, brauchen wir nicht. Ich plädiere eher für ein Zentrum im kleinen Stil, schließe mich aber Ideen und Vorschlägen des Geschichtsvereins an.

Zitat: „Der Verkehr nimmt immer mehr zu. Wenn der Gewerbepark an die Kreisstraße zwischen Erlensee und Langenselbold angeschlossen wird, dann fährt alles, was nach Hanau will, durch Rückingen, und zwar unabhängig von Lidl. Alte und behinderte Menschen haben es in der Rush Hour jetzt bereits sehr schwer, die Leipziger Straße zu überqueren.“ – Was sagen Sie dazu?

Da stimme ich voll und ganz zu. Das ist die Folge der Fehlplanung und Fehlpolitik, die hier betrieben wurde und wird. Auf die Leipziger Straße gehören Ampeln, die zum einen das sichere Überqueren der Straße für Fußgänger ermöglichen und zum anderen eine Durchfahrt so unattraktiv machen, dass der Verkehr über die Autobahn fließt.

Gefällt Ihnen das Stadtbild?

Nein, es mangelt an öffentlichen Begnungsplätzen. Es gibt keine Flanierstraße, auf der die Menschen spazieren oder in einem verkehrsberuhigten Bereich gemütlich zusammensitzen können. Eine Neuauflage einer Weihnachtsbeleuchtung zur Adventszeit in den Ortsteilen wäre auch schön.

Zitat: „Trotz der Ansiedlung von Firmen und der damit verbundenen Vernichtung von Grünflächen sind die finanziellen Möglichkeiten der Stadt weiterhin enorm eingeschränkt. Es wurden keine hochwertigen Arbeitsplätze geschaffen.“ – Ihre Meinung dazu?

Auch hier stimme ich voll und ganz zu. Da wir im Fliegerhorst zum größten Teil nur Firmen haben, die lediglich Lagerstätten sind oder als Filialen geführt werden, bleibt in Erlensee nur ein Bruchteil an Steuern hängen. Dafür bekommen wir unsere Straßen kaputt gefahren und riskieren Gesundheitsschäden durch die Abgase der LKW.

Zitat: „Es gibt zu wenig Feste, die als Stadtfest im Zentrum stattfinden. Zwar sind viele Vereine mit eigenen Festen stark engagiert, aber ein Stadtfest sollte öfter stattfinden. Im Vergleich zu Nachbarkommunen ist in Erlensee nichts los.“ – Ihre Ideen dazu?

Beim Stadtfest liegt das an den extrem hohen Standgebühren, die wiederum hohe Essenskosten verursachen. Eine mehrköpfige Familie kann sich das kaum leisten. Wir haben genug Vereinsfeste, die wir nur unterstützen müssen. Hier sind die Kosten für Familien auch viel geringer. Auch wären Familienfeste mit generationsübergreifenden Programmen eine gute Alternative zu den traditionellen Festen.

Haben Sie ein Digitalisierungskonzept für die Stadt?

Nein. Damit müssen fachkundige Personen beauftragt werden, damit es für alle Generationen sinnvoll umgesetzt werden kann.

Gibt es aus Ihrer Sicht in Erlensee besondere Handlungsfelder im Bereich Kriminalität?

Ja. Die Örtlichkeiten öffentlich bekannt zu geben wäre allerdings nicht zielführend. Die Brennpunkte in Erlensee und der Umgebung sind der Polizei bekannt. Generell möchte ich mit ausgebildeten Fachleuten zusammenarbeiten, um die Kriminalität zu bekämpfen.

Eine Idee: „Das Interimsrathaus der Stadt Bruchköbel im Fliegerhorst verbleibt im Besitz des Zweckverbands. Das Erlenseer Rathaus zieht auf den Fliegerhorst, das alte wird abgerissen und somit werden Sanierungskosten gespart. Ein Servicebüro verbleibt im Zentrum, welches zu einem pulsierenden Ort der Begegnung ausgebaut wird“. – Was halten Sie davon?

Das war meine Idee, die ich bereits vor 2 Jahren in der Zweckverbandsversammlung geäußert habe aber keine Mehrheit fand. Ich bin nach wie vor dafür, das für viel Geld umgebaute Interimsrathaus als ständiges Rathaus zu nutzen.

Wie stehen Sie zu einer Fusion mit Neuberg?

Wenn die Bürgerinnen und Bürger sich mehrheitlich dafür entscheiden, werde ich das selbstverständlich akzeptieren. Ich persönlich finde die Fusion nicht gut, da viele versteckte Kosten auf die Bürgerinnen und Bürger beider Kommunen zukommen werden. Außerdem ist die teuer bezahlte Machbarkeitsstudie einseitig und von der Politik gesteuert. Man hätte die Idee einer Fusion mit den Bürgern vorher besprechen sollen und nicht über einen Zeitungsbericht kundzutun. Hier wurde insgesamt sinnlos Geld vergeudet.

Wie sieht Erlensee – im Falle Ihrer Wahl – bei der nächsten Bürgermeisterwahl in sechs Jahren aus? Finanziell, räumlich, beim Verkehr, im Bereich Natur…?

Ich hoffe, dass ich dann viele meiner Ideen gemeinsamen mit denen der Bürgerinnen und Bürger verwirklichen konnte und Erlensee wieder zu einem Wohlfühlort gemacht habe mit einem regen Geschäftsleben, ruhigen Zonen zum Entspannen sowie kinder-, familien- und seniorenfreundlich.

Eine gute Fee legt Ihnen 100.000 Euro auf den Tisch, die Sie für Erlensee ausgeben können. Für welche Verwendung des Geschenks entscheiden Sie sich ganz spontan?

Ich würde damit die ortsansässigen Vereine unterstützen, Spielplätze ausbauen und für eine gewisse Zeit finanzschwachen Senioren mit Hunden eine Steuerersparnis gewähren. Hunde sind für alte Menschen eine große soziale Bereicherung und ein Hilfsmittel, um soziale Kontakte zu bewahren.

Vielen Dank für das Gespräch.

(Die Fragen stellte Markus Sommerfeld)

 

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