(ms/ea) – Die Reihe der Interviews zur Bürgermeisterwahl am 8. September 2019 in Erlensee beginnt heute mit Bürgermeisterkandidat Michael Börner (CDU).
Welches ist Ihr stärkstes Motiv, sich für das Amt des Bürgermeisters zu bewerben?
Erlensee braucht einen Tapetenwechsel, innen und außen. Nach Jahrzehnten der gleichen Politikfarbe sind Strukturen in vielerlei Hinsicht dermaßen eingefahren, dass es Zeit wird, diese aufzubrechen. Persönlich haben mich auch Dinge geärgert, wie zum Beispiel die Art und Weise der Vergabe von Neubauplätzen und der Umgang mit Bewerbungen im Rathaus, um nur einige Dinge zu nennen. Das möchte ich verbessern.
Welche Kenntnisse und Fähigkeiten sollte ein Kandidat mitbringen?
Man sollte den Ort gut kennen und wissen, wie die Leute in beiden Stadtteilen ticken. Dazu gehören auch Vereine sowie kleine und große Betriebe. Eine Bürgermeisterwahl wird durch das Vertrauen der Wähler entschieden und durch nichts anderes.
Warum sollen sich die Wähler gerade für Sie entscheiden?
Ich kenne die Leute und die kennen mich. Aufgrund unseres Geschäfts, welches im Nebengewerbe nach wie vor besteht, war ich fast in jedem Haus. Ich bin in Langendiebach aufgewachsen, meine Verwandtschaft wohnt in Rückingen. Ich habe gute Kontakte in beiden Stadtteilen.
Welche drei Themenfelder sind für Sie vorrangig?
Transparenz:
Transparenz bedeutet für mich, vorher zu informieren, unter anderem damals bei der Gohlbrücke. Ein dort angebrachtes Schild mit der Info, wann die Brücke kommt, wie sie aussieht und was sie kostet, hätte viele Nachfragen und Leserbriefe unnötig gemacht. Auch bei Baustellen städtischer Liegenschaften müsste mit einem Schild auf diese Weise informiert werden. Weiteres Beispiel: Kinzigtal total im letzten Jahr: Die Radfahrer kamen am Ortseingang aus Richtung Langenselbold an und niemand wusste, wie es Richtung Hanau weitergeht. Viele standen dann auch am Kinzigufer an der nicht vorhandenen Brücke. Und das alles, weil Erlensee nicht mitmachte und auch keine Schilder aufstellte. Transparenz bei der Vergabe von Grundstücken gehört ebenfalls dazu.
Transparenz durch rechtzeitige Öffentlichkeitsarbeit erspart Probleme im Nachhinein, es sei denn, man hat etwas zu verbergen.
Sicherheit:
Positiv ist, dass wir jetzt zwei Ortspolizisten mehr haben, die anscheinend aber nur dabei sind, Parkscheiben zu kontrollieren. Mein Vorschlag ist, dass die Polizei, die Ortspolizei, ein privater Sicherheitsdienst und der leider abgeschaffte freiwillige Polizeidienst das Erlenwäldchen bestreifen, um auf die dortige Szene Druck auszuüben. Gar nicht auszudenken, wenn junge Familien mit Kinderwagen, die vielleicht bald in das Neubaugebiet am früheren Festplatz einziehen, durch den Erlenwald spazieren wollen und dort auf die Drogenszene stoßen, die es übrigens auch in der Hauptstraße in Rückingen gibt.
Bürgernähe:
Ich werde als Bürgermeister regelmäßige Sprechstunden für die Bürger durchführen, die mich auf dem kleinen Dienstweg ohne Umwege erreichen können. Zu Bürgernähe zählt auch ein offenes Ohr haben für die Vereine und bei denen auch ab und zu an Sitzungen teilzunehmen und sich für Gespräche zur Verfügung zu stellen.
Zitat: „Die Vielfalt des Einzelhandels hat in den letzten Jahren stark abgenommen. In der Friedrich-Ebert-Straße bekommt man beispielsweise nur noch die Spiegel abgefahren.“ – Haben Sie Ideen, unter anderem am Beispiel der Friedrich-Ebert-Straße, wie man die Entwicklung stoppen oder umkehren kann?
Man müsste ein Pilotprojekt installieren, wie es bereits in anderen Kommunen üblich ist, mit dem eine Internet-Kaufplattform aufgebaut wird, auf der sich unser Gewerbe präsentieren kann und auf der man einkaufen und Reservierungen vornehmen kann. Die Stadt hat leider alteingesessene Handwerksbetriebe im Stich gelassen und hat leider mehr Interesse an Großhandelsketten, die wiederum kleineren Geschäften den Gar aus gemacht haben. Es entstehen dort auch keine neuen Arbeitsplätze, denn diese sind in gleicher Höhe beim Einzelhandel abgebaut worden. Aber was wird in 20 Jahren sein? Die Heuschrecken ziehen weiter, verbranntes Land bleibt übrig.
Unsere Region ist auch bei ausländischen Touristen bekannt für seine Handwerkstätigkeit, darunter zählen auch Bäcker und Metzger. Leider sieht es jedoch durch die Einkaufszentren überall gleich aus. Das Profil verschwindet, alles wird uniformer.
Zitat zum Thema Klimawandel: „Es wird immer heißer und trockener, und in Erlensee wird alles zugepflastert.“ – Haben Sie Vorschläge, städtische Wärmeinseln zu verhindern oder abzumildern? Welchen Beitrag sollte Erlensee leisten, den CO2-Ausstoß zu verringern?
Mit diesem Thema bin ich allein schon aus beruflichen Gründen stark behaftet. Es hängt hier alles mit allem zusammen: Das Grundwasser sinkt, Baugebiete versiegeln den Boden, muss der Bauhof mehr Leute einstellen zum Gießen?
Wassersparende Substrate könnten helfen, auch der Einsatz von Bewässerungssystemen wäre denkbar. Neue Bebauungspläne müssen die Eigentümer verpflichten, Grünflächen anzulegen. Wenn man auch das Bäumepflanzen verpflichtet, drängt sich die Frage auf: Was passiert mit den Bäumen in 30 Jahren? Wer entscheidet über das Fällen?
Schottergärten, weiße Hauswände und schwarz geteerte Straßen sind in Hitzezeiten die Vorstufe zur Hölle. Auf der anderen Seite, wie sollen wir hier verhindern, was in Brasilien durch Baumfällungen im großen Stil passiert? Trotzdem bin ich für die Spiegelinitiative: Jeder fängt an mit dem, wen er im Spiegel sieht, dann wird Großes daraus. Zu überlegen wäre auch eine andere Straßenfarbe, die sich weniger aufheizt. Wir brauchen mehr klimaresistente Pflanzen und Rasensorten, was aber auch ein Finanzthema ist. Es gibt ein Förderprogramm der Bundesregierung, das Kommunen für ein besseres Klima unterstützt. Diesem sollte man beitreten.
Brauchen wir ein Dokumentationszentrum Fliegerhorst?
Das ist eine Kostenfrage. Ich bin mit dem Fliegerhorst innerlich verbunden, mein Großvater hat damals beim Kennedybesuch den Blumenschmuck geliefert und ich habe viele gute amerikanische Bekannte, viele waren auch gute Kunden bei uns. Langendiebach war in der Welt bekannt, allein schon durch die Soldaten, die hier stationiert waren und dann überall auf der Welt eingesetzt wurden.
Wenn der finanzielle Rahmen machbar wäre, wäre ich dafür.
Zitat: „Der Verkehr nimmt immer mehr zu. Wenn der Gewerbepark an die Kreisstraße zwischen Erlensee und Langenselbold angeschlossen wird, dann fährt alles, was nach Hanau will, durch Rückingen, und zwar unabhängig von Lidl. Alte und behinderte Menschen haben es in der Rush Hour jetzt bereits sehr schwer, die Leipziger Straße zu überqueren.“ – Was sagen Sie dazu?
Gerade jetzt wieder nach Ende der Sommerferien hat der Verkehr auf allen Durchgangsstraßen exorbitant zugenommen, was aber hauptsächlich durch PKW bedingt ist. Die Verlängerung der Anne-Frank-Straße gibt es noch nicht, daher sind dort die anderen innerörtlichen Straßen auch belastet. Erst wenn diese realisiert wird, kann dann die Brücke der Friedensstraße endlich repariert werden. Der Bürgersteig ist hier ja gesperrt auf der einen Seite. Bei der Leipziger Straße bin ich für ein LKW-Durchfahrtsverbot.
Ich weise jetzt schon darauf hin, wenn Pioneer in Hanau bezogen ist und das Neubaugebiet in Rodenbach ebenfalls, wird Rückingen durch den Individualverkehr noch stärker belastet.
Gefällt Ihnen das Stadtbild?
Aktuell ist es aufgrund der vielen Bauzäune nicht schön. Auch das Stadtzentrum liegt nach wie vor brach. Mit wenig Aufwand könnten die Kreisel in den Farben Blau und Gelb des Erlenseer Stadtwappens bepflanzt werden und somit einen hohen Wiedererkennungswert in der Region schaffen, wie dies auch in Alzenau geschieht. Auch an Straßen könnte man gelb und blau blühende Blumen pflanzen nach dem Motto: Erlensee blüht auf in blau-gelb.
Außerdem sollte man mehr Müllbehälter aufstellen. Wenn sich die Leute mit der Stadt mehr identifizieren, schmeißen sie auch nicht mehr Müll achtlos weg. So kann man mit kleinen Dingen viel erreichen, ohne einen Riesenaufwand betreiben zu müssen.
Zitat: „Trotz der Ansiedlung von Firmen und der damit verbundenen Vernichtung von Grünflächen sind die finanziellen Möglichkeiten der Stadt weiterhin enorm eingeschränkt. Es wurden keine hochwertigen Arbeitsplätze geschaffen.“ – Ihre Meinung dazu?
Die Konzentration auf Logistik ist sehr anfällig. Bei der ersten Rezession schlägt die sinkende Wirtschaftsleistung besonders im Bereich Logistik durch. Dort arbeiten eher gering Verdienende, die man auch schneller entlassen kann. Die Entwicklung ist nur auf das schnelle Geld ausgelegt, die Logistiker ziehen in 10 Jahren einfach weiter. Was ist dann mit den leer stehenden Hallen? Alles ist zu kurz gedacht, es dauert lange, bis die erste Gewerbesteuer fließt und dann sind sie schon wieder weg. Das Spiel ist etwas für High Roller mit hohem Einsatz, wie man in Las Vegas sagt. Ich hätte gerne im Fliegerhorst mehr mittelständische Unternehmen angesiedelt, Wissenschaft, wie das Fraunhofer Institut und insgesamt eine höhere Streuung bevorzugt, die auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist.
Zitat: „Es gibt zu wenig Feste, die als Stadtfest im Zentrum stattfinden. Zwar sind viele Vereine mit eigenen Festen stark engagiert, aber ein Stadtfest sollte öfter stattfinden. Im Vergleich zu Nachbarkommunen ist in Erlensee nichts los.“ – Ihre Ideen dazu?
Ich schlage als Idee vor, einen zweiten Weihnachtsmarkt auf dem Rathausplatz zu veranstalten, schließlich steht dort einer der größten Weihnachtsbäume der Region, der allerdings bisher völlig sinnlos in der Gegend herumsteht. In Verbindung mit der Marktgilde möchte ich den letzten Markttag im Dezember abends veranstalten, zur Hälfte Markt, zur anderen Hälfte mit Vereinen dann als Weihnachtsmarkt gestalten. Das soll allerdings keine Konkurrenz zum Historischen Weihnachtsmarkt in der Wasserburg sein.
Einen Festplatz haben wir leider nicht mehr, ein Ansatz wäre, ein gemeinsames Fest mit den neu angesiedelten Firmen und dem Erlenseer Gewerbe zu veranstalten in Verbindung mit einer Art Job-Börse.
Haben Sie ein Digitalisierungskonzept für die Stadt?
Nein. Es gibt jedoch die Vorgabe des Landes, Verwaltungsabläufe zu digitalisieren und es möglich zu machen, von zu Hause aus Dinge online zu beantragen und zu erledigen. Dies ist jedoch eine Aufgabe für Fachleute.
Gibt es aus Ihrer Sicht in Erlensee besondere Handlungsfelder im Bereich Kriminalität?
Die damalige Brandserie hat für viel Wirbel gesorgt, sie war aber auch in Rodenbach und Langenselbold zu beobachten. Die Zusammenhänge sind mir bis heute nicht bekannt, ein Zusammenhang mit Beschaffungskriminalität zu sehen wäre rein spekulativ. Handlungsfelder vermute ich eher im Bereich der aufgrund der Drogenszene möglichen Beschaffungskriminalität, aber einen Zusammenhang kann ich natürlich nicht behaupten.
Ich schlage zum Beispiel vor, auf öffentlichen Plätzen Schilder anzubringen, dass dort eine Kameraüberwachung stattfindet, auch wenn dies überhaupt nicht der Fall ist. Der Effekt wäre aber gegeben. So kann man mit kleinen Dingen viel erreichen.
Eine Idee: „Das Interimsrathaus der Stadt Bruchköbel im Fliegerhorst verbleibt im Besitz des Zweckverbands. Das Erlenseer Rathaus zieht auf den Fliegerhorst, das alte wird abgerissen und somit werden Sanierungskosten gespart. Ein Servicebüro verbleibt im Zentrum, welches zu einem pulsierenden Ort der Begegnung ausgebaut wird“. – Was halten Sie davon?
Das war eigentlich meine Idee. Wenn die Bruchköbeler Stadtverwaltung dort auszieht, steht das Gebäude leer. Ob Brandenburg daran noch Interesse hat, ist angesichts der bekannt gewordenen Neuplanungen völlig offen. Eine Rathaussanierung würde 9 Mio kosten. Insofern könnte man dort ins Interimsrathaus einziehen. Für die Stadtmitte wäre es wünschenwert, die Stadt könnte das leerstehende Bittner-Gebäude ersteigern und dort das Servicebüro unten unterbringen, vielleicht auch das Rathaus. Wäre zumindest einmal eine Idee.
Auf jeden Fall ist das Stadtzentrum das Herz der Stadt, es wird das Stadtbild in den nächsten 30 Jahren prägen. Keine Herzoperation ohne genaue Diagnose. Mit der bisherigen und neu entstehenden Bebauung bin ich nicht glücklich.
Wie stehen Sie zu einer Fusion mit Neuberg?
Ich sehe – im Gegensatz meines CDU-Stadtverbands – keinen einzigen plausiblen Grund für eine Fusion, außer, dass Frau Schröder dort als Bürgermeisterin aufhört. Interessant ist, dass jetzt der Bürgerentscheid durch Verzögerungen erst nach der Bürgermeisterwahl stattfinden wird. Wenn der Entscheid gescheitert wäre, hätte Bürgermeister Stefan Erb bei der Wahl als Befürworter der Fusion einen schweren Stand gehabt. Mit der Fusion will die SPD Erlensee mit der SPD Neuberg die Oberhand behalten. Aber was wird, wenn die Kanalsanierungskosten und die Kosten der Bürgerhaus-Sanierung in Neuberg auf alle Bürgerinnen und Bürger zukommen? Fusionieren wir dann aus Kostengründen mit einer weiteren Kommune?
Wenn man Todkranke mit Schwerkranken zusammenlegt, gibt es daraus keinen Gesunden.
Wie sieht Erlensee – im Falle Ihrer Wahl – bei der nächsten Bürgermeisterwahl in sechs Jahren aus? Finanziell, räumlich, beim Verkehr, im Bereich Natur…?
Die Menschen werden sich mehr mit der Stadt identifizieren. Es wird mehr Vereinsleben geben, mehr Kultur, der Einzelhandel und kleinere Gewerbe wurden angesiedelt. Erlensee wird ein tolles Image besitzen, so dass man gerne hier lebt. Man wird dann hier wohnen, nicht nur, weil die Autobahn hier ist und wird bedauern, auf die Arbeit zu fahren und sich freuen, wieder nach Erlensee zu kommen.
Eine gute Fee legt Ihnen 100.000 Euro auf den Tisch, die Sie für Erlensee ausgeben können. Für welche Verwendung des Geschenks entscheiden Sie sich ganz spontan?
Ich würde die Summe für vereinsfördernde Projekte einsetzen und somit einen großen Effekt für die Stadt erzielen.
Vielen Dank für das Gespräch.
(Die Fragen stellte Markus Sommerfeld)
Foto: Privat