Insektensterben, Vogelschwund und industrielle Landwirtschaft: „Wir sind dann mal weg – die (un)heimliche Artenerosion“

(pm/ea) – Im Rahmen ihres monatlichen Arbeitskreistreffens (Beginn 19 Uhr) lädt die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) am Mittwoch, 15. November, ab 19.30 Uhr im Gasthaus „Zur Post“ in der Brentanostraße 9 in Gelnhausen zu einem Vortrag über das Artensterben ein.

Stephan Börnecke, über 30 Jahre Journalist bei der Frankfurter Rundschau, beleuchtet in seinem Vortrag die aktuelle Situation im Feld der Artenvielfalt (Biodiversität). Die Wissenschaft beobachtet seit Jahrzehnten Verluste von Lebensräumen, von Arten, vor allem von Artendichte und Individuenzahlen. Einige Forscher sprechen sogar vom sechsten Massensterben auf diesem Erdball – mit dem feinen Unterschied, dass dieses „masskilling“ vom Menschen verursacht wird.

Wenn von Insektensterben die Rede ist dann steht die konventionelle Landwirtschaft im Zentrum. „Moderne“ Techniken, Mäh- und Erntemethoden wie vorgezogene Erntezeiträume, Einsatz von Pestiziden, darunter Glyphosat und Neonikotinoide, sowie Stickstoffdünger im Übermaß nehmen keine Rücksicht auf die Natur. Hinzu kommt die immer weiter verbreitete Pestizidverwendung in Hausgärten und im öffentlichen Raum, die selbst naturnahe Lebensnischen vernichtet statt sie zu fördern.

Die Beseitigung von Büschen, Böschungen, Mauern, Hecken und Bäumen aus der Agrarflur sowie das Ackern bis zum letzten Zentimeter am Straßenrand tragen ebenfalls wesentlich zum Verschwinden von Lebensräumen für Vögel, Insekten und Amphibien bei. Mit der Vielfalt der Tiere verschwindet auch die Vielfalt bei den Pflanzenarten, von denen nicht wenige auf spezialisierte Bestäuber angewiesen sind, wie zum Beispiel die rundblättrige Glockenblume auf die Glockenblumen-Scherenbiene. Ein komplexes Netzwerk von Tier- und Pflanzenarten verbindet verschiedenste Arten miteinander.

Weitere sehr bedeutsame Faktoren für den Artenverlust sind im Wachstum des Verkehrs und der Verbauung und der daraus folgenden Zerschneidung, Versiegelung und Zersplitterung natürlicher Lebensräume zu suchen, die vielen Tierarten – vor allem größeren Räubern – wenig Chancen läßt. Weltweit wachsen Ballungsräume, und lassen kaum noch Platz für die Vielfalt in der Natur. Nur noch Arten können sich halten, die sich auf wenige Nischen spezialisiert haben.

Die Politik kennt die Probleme, scheut aber vor allem im Bereich der Landwirtschaft jeden ernsthaften Kurswechsel weg von der Förderung agro-industrieller Produktion hin zu umweltverträglicher Bewirtschaftung.

Auch private Initiativen zur Erhaltung von Vielfalt bei Tieren und Pflanzen sind wichtig, aber sind ohne einen entschiedenen Kurswechsel bei den politischen Rahmenbedingungen für Landwirtschaft, Flächennutzung und Verkehr vergebens. Die Wissenschaft hat das längst erkannt, nur die Politik nicht. So hat der Leiter des Instituts für Naturschutzforschung am Leipziger Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, Klaus Henle, kürzlich knapp geurteilt: „Die EU hat im Prinzip relativ ehrgeizige Biodiversitätsziele – den Verlust an Biodiversität zu verringern, möglichst zu stoppen bis 2020. Mit den jetzigen GAP-Maßnahmen wird das mit Sicherheit verfehlt werden.“ (GAP=Gemeinsame Agrar-Politik)

Hier sind die Schlüssel für den Verlust der Vielfalt in der Natur zu finden, hier aber auch können wir alle ansetzen, um den dramatischen Trend umzukehren.

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