(pm/ea) – Zum wiederholten Mal versammelten sich Christen und Juden zu einem gemeinsamen Gottesdienst am Reformationstag, in diesem Jahr in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Hanau in der Wilhelmsstraße.
Dieses Datum ist bewusst gewählt, da es zugleich der Vorabend zu Allerheiligen und Allerseelen ist. Während Juden und Reformierte keine Heiligenverehrung kennen, stellt die Katholische Kirche einzelne Menschen besonders hervor, die Vorbildcharakter haben. Vorbilder im Glauben haben aber alle drei Religionsgemeinschaften, seien sie biblisch oder aus der Geschichte und Gegenwart. Aus aktuellem Anlass wurden vorbildliche Friedensstifter in bewegenden Ansprachen und biblischen Texten besonders gewürdigt, verbunden mit dem Friedensgebet für das Heilige Land. Oliver Dainow und Rabbiner Andrew Steiman begrüßten im Namen der Jüdischen Gemeinde Hanau die zahlreichen Teilnehmer.
Rabbiner Andrew Steiman stellte das Glaubenszeugnis der jungen Menschen, die im Oktober vorigen Jahres beim Tanzfestival in der Wüste grausam ermordet wurden. Er nahm Bezug auf das Jüdische Glaubensbekenntnis, das auch in die christliche Tradition als Gebet eingegangen ist: „Schma Jisrael, Adonaij Elohhenu, Adaonaj eched“ – „Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig“. „Diesen Bibelvers sprachen die jungen Leute mit letzter Kraft. Es war der jüdische Feiertag „Simchat Thora“, das Thorafreudenfest. An diesem Fest ist es Brauch, mit oder ohne Thora zu tanzen – wie einst der König David! Ihr Vermächtnis lautet: We will dance again!“, so Rabbiner Steiman in seiner beeindruckenden Ansprache.
Dechant Andreas Weber beschrieb als Vorbild im Glauben das Leben und Wirken der Heiligen Therese von Lisieux, die als junge Heilige im 19. Jahrhundert den „Kleinen Weg des Glaubens“ beschrieben hat: „Nicht die großen Taten sind wichtig, sondern der ganz normale Alltag, in dem wir uns aus Liebe zu Gott und den Menschen bewähren, Die Heilige Therese ist nur vierundzwanzig Jahre alt geworden. Ihr Weg wurde von der Gemeinschaft der Kirche als vorbildlich anerkannt. Als junge Frau in der Kirche wurde ihr der hohe Titel Kirchenlehrerin zugesprochen!“
Pfarrer Torben W. Telder beleuchtete Leben und Werk von Friedrich v. Bodelschwingh d.J., der in der NS-Zeit in Bethel sehr viel für Behinderte und einige Juden getan hat und in seinen Einrichtungen das Euthanasieprogramm verhinderte, was dann auch Clemens August Kardinal Graf v. Galen inspirierte: „Heilige müssen nicht immer komplett glänzen, sondern dürfen auch durchaus Ecken und Kanten haben. Bodelschwingh und Kardinal von Galen zeigen, wie man im Kleinen ein politisches System untergraben konnte.“ , so Telder.
Der Gottesdienst wurde kirchenmusikalisch umrahmt mit Musik beider Traditionen durch Kantor Dr. Krystian Skoczowski mit Klavierstücken von Haydn und Mozart, sowie mit den beeindruckenden „Skizzen für Klavier“ von Emil Bohnke, einem Komponisten mit jüdischen Bezügen. Pfarrer Torben W. Telder sang eindrücklich die Synagogengesänge.
Der Segen wurde in hebräisch und deutsch gesprochen, bevor die Gemeinde mit den drei Liturgen – alle fassten sich an die Hände – im Wechsel in das Schlusslied: „In deinen Toren werd‘ ich stehen, du freie Stadt Jerusalem. In deinen Toren kann ich atmen, erwacht mein Lied in deinem Lied.“
Die nächste christlich-jüdische Andacht ist für den 19. Februar 2025 am Gedenktag des Hanauer Anschlags in der Kesselstädter St. Elisabethkirche geplant.
Auf dem Foto: „Geschwister im Glauben und gute Freunde“: Oliver Dainow, Pfarrer Torben W. Telder, Rabbiner Andrew Steiman, Dechant Andreas Weber und die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Irina Pisarevska
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