Stadtrundgang zur Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma in Hanau

(pm/ea) – Am Mittwoch fand in Hanau erstmals ein Stadtrundgang anhand der Siro-App des Hessischen Landesverbandes Deutschen Sinti und Roma statt. Startpunkt des Statdrundganges, der sich mit dem Thema der nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti sowie den Hintergründen der Entschädigungsverfahren auseinandersetzte, war am Neustädter Rathaus, .

Rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren bei diesem gut besuchten Rundgang dabei. Der Veranstalter, der Landesverband deutscher Sinti und Roma in Hessen, arbeitet in Kooperation mit der Hanauer Bildungsstätte Pinot – jüdische Bildungsbausteine. Dieser Rundgang wurde von der Heinrich Böll Stiftung Hessen unterstützt und führte in einem Zeitraum von zwei Stunden zu verschiedenen Orten in Hanau.

Fatima Stieb, Mitarbeiterin des Landesverbandes deutscher Sinti und Roma in Hessen, eröffnete den Rundgang mit einer Begrüßungsrede vor dem Neustädter Rathaus. In ihrer Ansprache thematisierte sie die Herkunft der Sinti, deren Namensgebung sowie die historischen Ereignisse, die sich damals im Rathaus Hanau im Kontext der Verfolgung der Sinti abspielten. Zu den weiteren Stationen gehörte das Klinikum Hanau, das während der Zeit des Nationalsozialismus für die Zwangssterilisationen verantwortlich war, die durch ein 1933 erlassenes Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses legitimiert wurden. Über 500.000 Menschen fielen dieser grausamen Praxis zum Opfer, wobei insbesondere Sinti und Roma betroffen waren, wie Nicole Alice Deeg von Pinot erklärte.

Das heutige Finanzamt am Freiheitsplatz war einst Sitz der Gestapo sowie der Kriminalpolizei, wo vor Ort die Deportationslisten erstellt wurden. Niko Deeg, Leiter der jüdischen Bildungsstätte Pinot- Jüdische Bildungsbausteine mit Sitz in Hanau, wies auf die damaligen Angestellten der SS hin und machte deutlich, dass nach dem Krieg viele von ihnen wieder Positionen in den Behörden einnahmen, wodurch die ehemaligen Opfer ihren Peinigern erneut gegenüberstanden.

Auch persönliche Schicksale fanden ihren Platz in diesem Rundgang. Die Sinti-Familie Delis, die damals in der Steinstraße lebte, erlitt ein schweres Schicksal mit insgesamt neun Kindern. Obwohl ihr eigener Sohn zu Beginn in der Wehrmacht diente, wurde die gesamte Familie am 23. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Einige überlebende Sinti aus Hanau sahen sich nach ihrer Rückkehr zermürbenden juristischen Auseinandersetzungen gegenüber, um finanzielle Entschädigungen für das erlittene Unrecht zu erhalten – Entschädigungen, die ihnen ab 1953 mit der Einführung des Bundesentschädigungsgesetzes eigentlich zugestanden hätten.

Insgesamt stellte dieser Stadtrundgang eine eindrucksvolle und emotionale Reise durch eines der dunkelsten Kapitel der Hanauer Geschichte dar. Viele Teilnehmer waren sichtlich bewegt von den grausamen Geschichten und Schicksalen, die an diesen Orten ihren Ursprung hatten. Der Rundgang fand schließlich seinen Abschluss an der Gedenktafel für die Opfer des Nationalsozialismus.

Es war ein Abend voller Erkenntnis und Gedenken, der allen Anwesenden eindringlich vor Augen führte, wie wichtig es ist, das Gedächtnis an die Vergangenheit lebendig zu halten.

Fotos: PINOT- Jüdische Bildungsbausteine

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