(ms/ea) – Am Mittwochabend wurde das lang erwartete Gutachten zum Hallenbad Erlensee auf einer Bürgerversammlung in der Erlenhalle der Öffentlichkeit präsentiert. Dabei wurde deutlich, dass bei einer Wiedereröffnung des Hallenbades auf den städtischen Haushalt erhebliche Sanierungskosten zukommen. Am Ende der dreieinhalbstündigen Versammlung mit zum Teil lebhaften Diskussionen stand fest: Die Stadtverordneten müssen eine schwere Entscheidung treffen.
Die beiden Gutachter Matthias Marhöfer (BZM Architekten) und Tino Krebs (Aqua Consulting GmbH) führten die etwa 150 anwesenden Bürgerinnen und Bürger mit einem bebilderten Rundgang virtuell durch das Hallenbad und erläuterten so die einzelnen Bereiche des Gutachtens. Für die im folgenden ausgesprochenen Sanierungsempfehlungen wurden unter anderem die Richtlinien für den Bäderbau des Koordinierungskreises Bäder (KOK- Richtlinien) herangezogen.
Im wesentlichen führten die Gutachter folgende Positionen mit Netto-Angaben auf:
- Neustrukturierung und Überdachung des Eingangsbereiches und Optimierung der Wegeführung. Kosten: ca. 700.000 Euro
- Erweiterung des Foyers und Kiosks/Bistro-Bereiches zur Attraktivierung und Generierung von mehr Aufenthaltsqualität. Kosten: ca. 450.000 Euro
- Die Umkleiden befinden sich in altersgemäßem überraschend gutem Allgemeinzustand. Wider Erwarten nur geringer Betonsanierungsbedarf. Altersgemäßer Sanierungsbedarf:
Erneuerung des Fußbodenaufbaus mit Estrich, Abdichtung und Fliesen, Decken: Verbesserung der Akustik durch Einbau von Akustikdecken mit Erneuerung der technischen Einbauten, Wände: Erneuerung Wandbeläge.Kosten: ca. 770.000 Euro - Schwimmerbecken: Wider Erwarten nur geringer Betonsanierungsbedarf. Aufgrund von Feuchteschäden im Fliesenaufbau und augenscheinlichen Fliesenschäden ist eine Kompletterneuerung von Abdichtung, Rinnen und Fliesenauskleidung erforderlich. Ausführung nur zusammen mit Sanierung Nichtschwimmerbecken und Beckenumgängen möglich (Baukosten ohne Technik ca. 2.380.000 Euro
- Sanierungsempfehlung vor Wiedereröffnung (Hallen-Tragwerk): Instandsetzung der feuchtegeschädigten Stützenfüße sowie Überprüfung/Instandsetzung der Gewindeschraubverbindungen an Dachbinderkonstruktion und Stützen. (Sofortmaßnahme)
Kosten: ca. 640.000 Euro
Die Deckenverkleidung ist hinsichtlich des Schallschutzes zu optimieren, die Beleuchtung zu erneueren. Die Wandbeläge sind im Zuge der Erneuerung des Beckenumgangs zu erneuern.
Kosten: ca. 740.000 Euro - Sanitärtechnische Anlagen: Sofortmaßnahmen zur Wiederinbetriebnahme: Erneuerung Hebeanlage und Rückbau Trinkwasserinstallationen ehem. Saunabereich
Kosten: ca. 83.000 Euro
Ab 2030 Sanierungsbeginn: Neue Bodenabläufe und Entwässerungsleitungen Badeplatte und Infrastrukturbereich, neuer Hauswasseranschluss und Saniatärinstallationen
Kosten: ca. 288.000 Euro - Heizungstechnische Anlagen, Ab 2030 Sanierungsbeginn:
Neue regenerative Wärmeerzeugungsanlage
(Hackschnitzel und Spitzengaskessel)
Mögliche Einbindung zweier Kitas in unmittelbarer Nähe (Sandweg und Friedenstraße)
Erneuerung Heizungsverteiler, Pumpen, Steuerung
Erneuerung Heizungsverrohrung und Dämmung
Kosten: ca. 950.000 Euro
(Vorab Klärung, ob Wärmekonzept zentral analog bestand oder dezentral) - Lüftungstechnische Anlagen, Sofortmaßnahmen zur Wiederinbetriebnahme: Änderung Zuluft-Bodenkanal: Aussparung der Fassadenelemente/ Bereich Stützenfuß (Gewerk Rohbau)
Ab 2030 Sanierungsbeginn: Kompletterneuerung aller RLT-Anlagen, Steuerung und Kanalnetz (z.T. notwendige Sanierungsmaßnahmeni.d. Entwässerungstechnik) unter Berücksichtigung effizienter und energiesparender Lüftungshydraulik.
Kosten: ca. 1.210.000 Euro - Badetechnische Anlagen
Ab 2030 Sanierungsbeginn:
Einhaltung DIN 19643 mit Beckenquerdurchströmung und 100% Überlauf
Beckensanierung Schwimmer- und Lehrschwimmbecken mit neuen Einbauteilen, inkl. Unterwasserbeleuchtung
Einbau Saugnische Schwimmerbecken für Nachtumwälzung
Spülspeicher mit Wärmerückgewinnung
Marmorkiesbehälter Desinfektion statt Laugendosierung
Pneumatische Klappen statt Stangenventile
Saugfilter statt Druckfiltration
Erneuerung Umwälzpumpen mit PM-Motor
Erneuerung Badewasserschaltschrank und Mess-Steuer-Dosiertechnik
Kosten: ca. 1.310.000 Euro - Elektrotechnische Anlagen, Ab 2030 Sanierungsbeginn: Kompletterneuerung aller Elektrotechnischer Anlagen (Unterverteilungen, Verkabelung, Sicherheitstechnik, Blitzschutz und Erdung) Kosten: ca. 475.000 Euro
Bei der abschließenden Betrachtung der vorgeschlagenen Maßnahmen wurden diese unter anderem unterteilt in „sofort erforderlich bei Wiedereröffnung“ und „Ausführung bei Generalsanierung ab 2030“.
Sofort erforderlich:
Sofort erforderlich wären bei einer Wiedereröffnung im Badehallenbereich die Sanierung der Stützenfüße und die Überprüfung/Instandsetzung der Gewindeschraubverbindungen an Dachbinderkonstruktion und Stützen sowie im Sanitärbereich die Erneuerung der Hebeanlage und der Rückbau der Trinkwasserinstallation im Saunabereich, welches insgesamt zu Kosten von rund 1 Mio Euro führen würde.
Ab etwa 2030:
Die sich ab 2030 anschließende Generalsanierung würde Kosten in Höhe von rund 13 Mio Euro verursachen, wobei der Beginn um einige Jahre nach vorne oder hinten variieren kann. Außerdem handelt es sich bei den Angaben der Kosten um Grobschätzungen.
Die Gutachter machten außerdem darauf aufmerksam, dass vor der Generalsanierung Gelder in die Haushalte eingestellt werden, Planer ausgesucht und Abstimmungsgespräche mit den Behörden geführt werden müssten. Danach müsse auf jeden Fall eine europaweite Ausschreibung erfolgen.
Somit bleiben drei Möglichkeiten, über deren Finanzierung die Stadtverordneten beraten müssten:
1. Vorübergehende Wiedereröffnung des Hallenbades für etwa 4 Jahre, danach vorübergehende Schließung für Generalsanierung
2. Sofortige Generalsanierung
3. Endgültige Schließung des Hallenbads
Bei der anschließenden Fragerunde drehte sich erwartungsgemäß viel um die Finanzierung und eine möglicherweise resultierende Grundsteuererhöhung sowie, wie diese vermieden werden könnte. Angesprochen wurde hier beispielsweise, wie hoch die Bereitschaft der Nachbarkommunen sei, sich an einer Finanzierung zu beteiligen. Immerhin kämen laut einer vor Jahren durchgeführten Befragung 51 % der Hallenbadbesucher nicht aus Erlensee. Stadtverordnetenvorsteher Christian Scholz rief die auswärtigen Besucher der Bürgerversammlung dazu auf, in deren Kommunen entsprechend dafür zu werben, machte aber auch keinen Hehl daraus, dass er die Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg bei Null sehe.
„Wo bleibt eigentlich das Geld aus Grundstücksverkäufen und sonstigen Einnahmen?“ war die Frage eines Bürgers, der von seinen auswärtigen Bekannten oft zu hören bekomme, „Ihr müsstet doch im Geld schwimmen“. Bürgermeister Stefan Erb entgegnete, das Geld werde für Ausgaben für die Kinderbetreuung, für das Personal, für die Erfüllung neuer Vorgaben für die Kläranlage, für den Limespark und weiterer Bereiche ausgegeben, was für die Bürger zum Teil gar nicht sichtbar sei.
Auf die Frage nach Prognosen der Gewerbesteuer antwortete er, man plane lediglich mit moderaten Steigerungen im Bereich der Inflationsrate. Parallel sei aber auch mit steigenden Kosten zu rechnen, auch aufgrund zunehmender Pflichtaufgaben, die vom Bund über das Land zur Kommune durchgereicht würden. Auch die Anforderungen des Kommunalen Finanzausgleichs könnten mit der Gewerbsteuer nicht aufgefangen werden. Der Bürgermeister erinnerte daran, dass in den letzten Jahren Erlensee überproportional gewachsen sei, die Gewerbesteuereinnahmen seien auf rund 8 Mio Euro angewachsen, aber es gebe auch Ausgaben. „Neue Baugebiete sind ein Drauflegegeschäft“, so der Bürgermeister, der betonte, dass die aufzuwendenden Kosten der Kinderbetreuung die Einnahmen aus Grundstücksverkäufen übersteigen würden.
Ein Bürger fragte direkt: „Wollen Sie das Hallenbad erhalten? Wenn JA, dann machen Sie es möglich. Beim Rathaus hat es ja auch geklappt“. Bürgermeister Stefan Erb warnte vor nach seinen Worten „Wunschdenken“: Jeder wolle das Hallenbad erhalten, es müsse aber finanzierbar sein. Die Rathaussanierung sei eine Pflichtaufgabe, das Hallenbad eine freiwillige Leistung.
Generell spielten die Kosten für die Rathaussanierung eine große Rolle in der teilweise emotional geführten Diskussion. Die Steigerung der Kosten wurde auf der letzten Bürgerversammlung im Dezember 2023 thematisiert und sind seitdem des öfteren Gesprächsthema in der Bevölkerung. Der 1. Vorsitzende des Fördervereins Hallenbad Erlensee, Heinz Müller, fragte nach Einsparpotentialen beim Rathaus, ohne die besseren Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter einzuschränken. Auch kritisierte er den seit über einem halben Jahr erfolgten Umzug in das Interimsrathaus im Fliegerhorst, wo Mietkosten anfallen, obwohl am Rathaus noch nichts sichtbar passiert sei. „Wo ist hier die Kommunikation mit den Bürgern?“ war dann auch seine Frage, die allerdings nicht zum Thema gehörte, wie er sich vom Stadtverordnetenvorsteher sagen lassen musste.
Man werde auf einer Bürgerversammlung informieren, teilte der Bürgermeister mit, der sich gegen Äußerungen wehrte, bei den Kosten für die Rathaussanierung 16 Mio Euro als Vergleichsgrundlage heranzuziehen und von erheblichen Steigerungen zu sprechen. Die 16 Mio Euro seien lediglich Ergebnis rudimentärer Planungen gewesen, um die Kosten für Sanierung oder Neubau zu betrachten. Man habe nie davon gesprochen, dass die 16 Mio. Euro die Baukosten darstellen.
Der 2. Vorsitzende des Fördervereins, Jochen Singer, fragte nach der Möglichkeit, die Sanierung minimalintensiv vorzunehmen und das Hallenbad erst einmal wieder in Betrieb zu nehmen. Von Gutachterseite wurde daraufhin auf die „abgespeckte Version“ des Gutachtens verwiesen, also auf die lediglich erst einmal notwendige Sanierung der Stützen im Hallenbereich und der Erneuerung der Hebeanlage. Ab dem Jahr 2030 stünde dann die Generalsanierung an mit den aufgeführten Maßnahmen.
Heinz Müller kritisierte, dass seiner Kenntnis nach eine Kontaktaufnahme mit den Gutachtern vom Auftraggeber untersagt worden sei, da er nicht mehr mit diesen habe kommunizieren können. Das Thema Kommunikation war ebenfalls ein Schwerpunkt, der in der Diskussion dazu führte, dass auf der einen Seite kritisiert wurde, dass die Bürger zu wenig Informationen erhalten würden und auf der anderen Seite argumentiert wurde, dass sich alle als Besucher von öffentlichen Sitzungen eine Meinung bilden könnten.
Letztlich brachte es der Erlenseer SPD-Vorsitzende, Ercan Celik, auf den Punkt: „Wir wollen alle das beste für Erlensee. Gehen Sie in die Politik und engagieren Sie sich, damit mehr für ein lebenswertes Erlensee gemeinsam arbeiten können“.
Wann letztlich eine Entscheidung über das Hallenbad fallen wird, konnte Stadtverordnetenvorsteher Christian Scholz nicht beantworten: „Es würde mich jedoch freuen, dass dies noch vor Ende des Jahres erfolgen wird“. Auch die Frage, wie hoch er die Chancen einschätze für eine Wiedereröffnung, wollte er nicht beantworten, hier komme es auf die jeweilige Sichtweise an.
Bürgermeister Stefan Erb wies darauf hin, dass die Politik abwägen müsse. Wenn aufgrund einer möglichen Steuererhöhung jeder Einwohner im Schnitt mindestens 33 Euro monatlich für das Hallenbad mehr zahlen müsste, dann sei jeder der 16000 Einwohner bestimmt nicht dafür.
Am Rande der Versammlung wurde von einem Teilnehmer geäußert: „Wenn die Kosten für das Hallenbad nicht zu stemmen sind, dann baut man eben an der Stelle ein Freibad als Kompromiss. Dann wird es billiger aber man kann zumindest in der warmen Jahreszeit schwimmen. Dann hat wenigstens alles doch noch einen Sinn gehabt“.
Die Stadtverordneten stehen vor keiner einfachen Entscheidung.
Ausschnitte aus der Historie seit der Entscheidung, das Hallenbad zu schließen:
⇒ Hallenbad Erlensee soll nach Schließung zunächst „eingemottet“ werden
⇒ Arbeitsgruppe soll Hallenbadbetrieb nach Schließung wieder möglich machen
⇒ Infoveranstaltung des Fördervereins Hallenbad Erlensee stieß auf sehr großes Interesse
Bericht und Fotos: Markus Sommerfeld