Leserbrief von Lilian Siderius: „Meine Einschätzung zur Wiedereröffnung des Hallenbades“

In ihrem Leserbrief gibt Lilian Siderius ihre Einschätzung zur Wiedereröffnung des Hallenbades wieder.

Eines ist sicher; es ist nie einfach, als Einzelperson, sinnbildlich nicht dasselbe Lied wie das der anderen im Raum zu singen – besonders in einer Versammlung eines Fördervereins nicht. Daher war mir klar, dass vieles, was ich in der Versammlung laut sagte, entsprechend als Negativ ausgelegt werden würde.

Wer mir zugehört hat, sollte auch dies gehört haben: es ist eine enorme Leistung des Fördervereins sich zu gründen, Menschen mitzunehmen und ein Konzept auf die Beine zu erstellen. Chapeau! Als Ehrenamtlerin ist für mich ganz klar: das geht nur mit Herzblut.

Gerne möchte ich nochmal versuchen, lediglich zwei meiner Bedenken bezüglich des Hallenbades zu äußern. Diese Bedenken resultieren vor allem aus finanziellen und organisatorischen Überlegungen, die in der aktuellen Diskussion meiner Ansicht nach nicht genügend Beachtung finden, bzw. seitens des Fördervereins auch nicht klar kommuniziert oder in Diskussionen nicht korrigiert werden.

1. Eine Wiedereröffnung ist und bleibt eine politische Sache, und zwar so lange bis die Stadtverordnetenversammlung mit den 31 gewählten Vertretern (nicht der Bürgermeister) einen finalen Beschluss fasst.

2. Es ist unbestreitbar, dass das Hallenbad ein wichtiger Bestandteil unseres sozialen und kulturellen Lebens ist. Doch die Realität, mit der wir konfrontiert sind, erfordert eine nüchterne Betrachtung. Die Kosten für die Instandsetzung und den Betrieb eines Hallenbades sind, auch mit Ehrenamtlichen, erheblich.

Fakt: nach wie vor hat die Stadt für die nächsten Jahre jeweils 300.000 € für das Hallenbad in den Haushalt gestellt. Größere Reparaturen werden weiterhin aus unserem Stadtsäckel beglichen, ebenso die Kosten für die unverzichtbaren Machbarkeit-Studien, die mit rund 70.000 Euro in der Stadtkasse zu Buche schlagen.

Manch eine/r bedenkt vielleicht auch nicht, dass die „Zeche“ für das Hallenbad in den vergangenen 50 Jahren einzig und allein von den Erlenseer Bürgern und Bürgerinnen gezahlt wurde. Daran würde sich auch in der Zukunft nichts ändern. Das hat in der Vergangenheit Erhöhung von Steuern für die ErlenseerInnen nachgezogen und dies lässt sich leider auch für die Zukunft nicht auszuschließen. Die Besucherzahlen der Vergangenheit belegen, dass das Erlenseer Bad von vielen „Auswärtigen“ genutzt wurde.

Ich hätte es für eine faire/solidarische Aktion gehalten, hätte es parallel eine Initiative der Mitglieder des Fördervereins in den eigenen umliegenden Gemeinden gegeben, die in ihren Gemeinden/ Stadtverordnetenversammlungen ebenfalls einen unteren 6-stelligen Betrag zur Unterstützung des Erlenseer Bades in den Haushalten gefordert hätten. Nach 50 Jahren mit diesen Kosten empfinde ich es gar nicht als negativ, kritisch nachzufragen, ob sich auch andere Mitnutzer an den Kosten beteiligen sollten oder, mal ketzerisch, gar ein eigenes Bad bauen würden, das wir als Erlenseer dann die nächsten 50 Jahre quasi kostenfrei nützen könnten.

In Zeiten knapper Kassen sollten wir Prioritäten setzen, die den langfristigen finanziellen Bestand unserer Stadt sichern. Was wir nicht tun sollten, ist in den Versammlungen z.B. das Hallenbad den Kosten für den Rathaus- oder Straßenbau gegenüberzustellen. Das ist allein schon in der Sache nicht richtig. Straßen und Verwaltungsgebäude gehören zu den Pflichtaufgaben einer Kommune, ein öffentliches Bad eben nicht. Wollen wir riskieren, unsere Pflichtaufgaben, zum Beispiel u.a. im Bereich der Kinderbetreuung, in dem Erlensee als einzige Kommune im gesamten Kreis den Betreuungsbedarf abzudecken vermag, wie andere, nicht mehr erledigen oder eine Bücherei nicht halten zu können?

Zusätzlich erfordert die Wiedereröffnung unter den Bedingungen: öffentliches Bad = gesetzliche Vorgaben einer öffentlichen Nutzung, ein umfangreiches und gesetzlich vorgeschriebenes Hygienekonzept für den Betrieb, wie auch Wartung für Wasserqualität und Heizung durch einen/einer Sachverständigen.

Fakt: Die organisatorische Last, die damit verbunden ist – von der Beschaffung professioneller Reinigungs- und Desinfektionsmittel bis hin zur (wo irgend möglich) Schulung des ehrenamtlichen Personals, das die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Hygienestandards und des generellen Betriebs überwacht, darf nicht unterschätzt werden. Daher wird auch die Haftung noch ein wichtiges Thema zu erörtern sein.

Ich verstehe, dass diese Ansicht nicht von allen geteilt wird und respektiere die positiven Absichten derer, die eine Wiedereröffnung befürworten. Jedoch glaube ich, dass es in der Verantwortung von uns allen liegt, umsichtig zu handeln und Entscheidungen zu treffen, die nachhaltig zum Wohl unserer Stadt und den Bürger und Bürgerinnen beitragen, aber auch den Schutz der evtl. eingesetzten Ehrenamtlichen und den Nutzenden des Bades beachten.

Das Thema Schwimmbad ist viel mit Emotionen verbunden, auch ich habe schöne Erinnerungen. Dennoch schlage ich vor, dass wir die Entscheidung zur Wiedereröffnung des Hallenbades realistisch betrachten, bis wir eine klare Vorstellung von den langfristigen, nicht ausschließlich finanziellen, Auswirkungen dieser Entscheidung haben.

Mit der Hoffnung auf ein ebenso offenes Ohr und Verständnis für diese Perspektive verbleibe ich.

Mit besten Grüßen,

Lilian Siderius
Erlensee

 

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