(pm/ea) – Das Hessische Statistische Landesamt (HSL) hat die Ergebnisse des Zensus 2022 veröffentlicht, nach denen Hanau zum Stichtag 15. Mai 2022 eine Einwohnerzahl von 93.632 zugewiesen wurde. Damit liegt die Zahl, die auf dem Zensus 2011 basierend vom HSL fortgeschrieben wird, um 6.675 Einwohner (minus 6,655 Prozent) niedriger.
Das Landesamt hatte zu diesem Zeitpunkt die Hanauer Einwohnerzahl mit 100.307 angegeben.
„Der Zensus ist nicht plausibel“, sagt Oberbürgermeister Kaminsky. Das Landesamt hatte für Hanau 1.096 Anschriften als Haushaltsstichproben ermittelt. Dort sollten laut HSL 10.492 Personen leben, ermittelt wurden von den Erhebungsbeauftragten allerdings 11.186 Personen zum Stand 15. Mai 2022, also 106,6 Prozent. „Das Amt ließ feststellen, ob die Menschen wirklich in Hanau leben. Ja, das tun sie und, das deckt sich mit vielen weiteren Indizien und unserer Wahrnehmung, wir sind sogar mehr, als wir glauben. Das Hanau geschrumpft sein soll, ist schwer zu verstehen“, so Kaminsky.
Noch hat Hanau keinen amtlichen Bescheid und auch keine Erklärung des Landesamtes zum Zensus 2022. „Wenn wir ihn kriegen, werden wir demnach keine Großstadt mehr sein“, so Kaminsky. Dies ist man, wenn man die 100.000er-Marke an Einwohnerinnen und Einwohnern übersteigt. Das Überschreiten dieser Grenze hatte das Statistikamt im Oktober 2022 mitgeteilt. Für Mitte August hat das Hessische Statistische Landesamt der Stadt Hanau ein Gespräch zugesagt. „Ich erwarte, dass es eine plausible Korrektur der Zahlen nach oben gibt“, so Kaminsky, der den Rechtsweg für die Stadt Hanau nicht beschreiten will, ihn aber nicht für ausgeschlossen hält. Denn die neuen Zahlen haben vor allem finanzielle Auswirkungen „in Millionenhöhe“ für die Stadt Hanau. „Weniger Einwohner bedeuten weniger Geld“, bringt es Oberbürgermeister Kaminsky auf eine einfache Formel und führt als Beispiel die Anstrengungen der Stadt bei der Kommunalen Wärmeplanung an. Für Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern muss der Wärmeplan bis zum 30. Juni 2026 erstellt werden, kleinere Kommunen haben zwei Jahre mehr Zeit. Diese Planungen würden weiter fortgeführt, auch werde Hanau seine Berufsfeuerwehr behalten, die sie mit Ausblick auf die Großstadtwerdung und kreisfreie Stadt aufgebaut hat.
Die Kreisfreiheit ab 1.1.2026 ist vom Zensus nicht berührt: „Der Gesetzgeber hat in der Hessischen Gemeindeordnung glücklicherweise eine „Lex Hanau“ festgeschrieben, nach der die Grenze von 100.000 Einwohnern für uns nicht gilt, da Hanau schon so weit vorangeschritten ist“, so Kaminsky, der schmunzelnd hinzufügt: „Man könnte, wenn man der Fortschreibung der Zensus-Zahlen glaubt, davon ausgehen, dass die erneute Großstadt-Werdung durch weiteres Wachstum ins Jahr der Kreisfreiheit 2026 fällt. Hanau wäre damit jetzt zunächst wieder Hessens größte Kleinstadt und würde dann wieder Hessens kleinste Großstadt werden.“ Auffällig sei auch, so Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri, dass nach dem Zensus vor allem hessische Sonderstatusstädte vom Abrieb der Einwohnerzahlen auffällig überproportional betroffen seien, also neben Hanau auch Fulda, Gießen, Rüsselsheim und Marburg.
„Wenn der amtliche Bescheid im September 2024 kommt, werden wir knappe zwei Jahre Großstadt gewesen sein“, rechnet Bürgermeister Dr. Bieri vor und weist darauf hin, dass Hanau zwischen den Zensus-Veröffentlichungen aus den Jahren 2011 (86.803 Einwohner) und dem Zensus 2022 um 7,867 Prozent gewachsen ist. Im Vergleich dazu hätte der Main-Kinzig-Kreis ein Plus von 2,8 Prozent, Hessen von 3,9 und Deutschland von 3,1 Prozent. „Selbst die überraschend niedrigen Zahlen des Zensus 2022 zeigen ein überdurchschnittliches Wachstum von 7,9 Prozent und die Attraktivität Hanaus“, so Dr. Bieri. Bei der aktuellen Abweichung den neunen Zensus liege Hanau mit minus 6,655 Prozent unter den Top Ten der größeren deutschen Städte, die relativen Abweichungen bei Main-Kinzig-Kreis (minus 3,8 Prozent), Hessen (minus 2,6), Deutschland (minus 1,6 Prozent) fielen niedriger aus.
Um die Zensus-Zahlen zu ermitteln, wird als Grundlage eine Stichprobengröße von etwa 10 Prozent genommen. Die Hochrechnungen haben einen Zielwert der relativen Standardabweichung von 0,5 Prozent, d.h. dass die tatsächliche Bevölkerungszahl mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% im Korridor von plus minus 0,5 Prozent um die errechnete Bevölkerungszahl liegen soll, so Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri: „Dementsprechend ist bei diesem Spiel mit Wahrscheinlichkeiten bei der großen Anzahl von Städten und Gemeinden also davon auszugehen, dass bei 540 Städten deutschlandweit die Zahlen eine höhere Abweichung haben.“
„Der Zensus weist nicht nur aus, wie viele Menschen hier leben, sondern differenziert auch nach verschiedenen Kategorien“, so Schul-Dezernent Dr. Bieri: So weise der aktuelle Zensus 3041 Kinder unter drei Jahren aus, zu diesem Zeitpunkt hatten allerdings 260 Kinder mehr (gesamt 3304) einen Kita-Platz beziehungsweise waren dafür angemeldet. „Das ist eine Abweichung von neun Prozent“, so Bieri. „Ebenfalls haben wir eine Abweichung bei der Anzahl von Grundschülern von rund fünf Prozent nach oben.“ Für Bieri ein Indiz, dass die tatsächliche Bevölkerungszahl hier weiter außerhalb der relativen Standardabweichung und deutlich über den errechneten 93.632 liegen müsse.
Sozialdezernent Dr. Bieri macht deutlich, dass „wir die Kita- und Schulentwicklungspläne sowie die Jugendhilfepläne der letzten Jahre immer mit den Zahlen der Ist-Schülerinnen und Schüler fortgeschrieben habe, der Ist-Belegung in den Kitas plus die Geburtenzahlen, die sich aus unserem Einwohnermeldeamt ergeben. Wir haben nie die Zensuszahlen zugrunde gelegt. Heute haben wir einen guten Grund, warum wir sie nie zugrunde gelegt haben, denn man könnte jetzt sagen, es gäbe plötzlich 300 Kita-Kinder weniger, die versorgt werden müssen, ein Problem gelöst. Das Gegenteil ist der Fall.“
Stadträtin Isabelle Hemsley stellt „sehr hilfreiche Indizien“ vor, die die Plausibilität der nun veröffentlichten Zensus-Zahlen in Frage stellen. „Regelmäßig, in vielen Fällen tagtäglich werden vom Einwohnermeldeamt verschiedene Daten erhoben, verglichen und konsequent bearbeitet, die von verschiedenen Meldebehörden übermittelt werden wie Standesämtern, dem Bundeszentralamt für Steuern und Ausländerbehörden, dem Bundesjustizamt, außerdem finden regelmäßige Datenübermittlungen zum Hessischen Statistischen Landesamt statt“, so Stadträtin Hemsley. Postrückläufe von „unbekannt verzogen“ über Einladungen zum Hanauer Neubürgerempfang und Wahlbenachrichtigungen bis „unzustellbar“ werden berücksichtigt. „Wir stellen fest, wo es Abweichungen gibt“, so Isabelle Hemsley: Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern, Mittelungen des Wohnungsgebers oder Verletzung der Schulpflicht fließen ein. „Über unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche werden hier immer wieder Daten nebeneinandergelegt und abgeglichen. Das bringt mich zu der Frage, warum eine Stichprobe genauer sein kann als unsere Daten“, so Stadträtin Hemsley.
Als weiteres Beispiel führt Stadträtin Hemsley den um 42 Prozent gestiegenen Frischwasserbedarf in den Jahren 2011 bis 2023 an. Dies entspricht einer mittleren jährlichen Zunahme von drei Prozent. Seit 2011 gibt es zudem mehr Wohnungen und Häuser (plus 3.513), was einem Zuwachs von 7.728 Einwohnern entspricht, es wurden etwa neun Prozent mehr Stromzähler und 13,8 Prozent mehr Wasseranschlüsse installiert und die Zahl der Restmülltonnen ist um 8.02 Prozent gestiegen. „Der gleiche Trend bei unserer Ausländerbehörde, alleine von Januar 2020 bis Juni 2024 ist die Zahl um 6.502 Personen angestiegen“, so Isabelle Hemsley, auch die Zahl der Wahlberechtigten zwischen 2011 und 2021 ist um 10,4 Prozent gestiegen.
„Mit den Zahlen des statistischen Landesamtes haben wir unsere gesamte Planung, also auch die Finanzplanung der Stadt aufgestellt. Mit begründeten Zahlen von Einwohnerinnen und Einwohnern nehmen wir gesetzliche Aufträge für die Hanauerinnen und Hanauer wahr. Diese neue Zahl erscheint uns nicht plausibel“, so Oberbürgermeister Claus Kaminsky.