„Durch Abwarten und lieb gucken sichern wir den Frieden nicht“

(pm/ea) – Bundespräsident a.D. Dr. Joachim Gauck sprach im Main-Kinzig-Forum vor 250 Gästen über Ostpolitik und die DDR-Zeit.

Entspannt sitzt er auf der Bühne, die Fußknöchel übereinandergeschlagen und erzählt: Über sein Leben in der DDR, wo er als evangelisch-lutherischer Pastor und Kirchenfunktionär wirkte und wo er 1990 als Abgeordneter in der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR Verantwortung übernahm. Als erster Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen setzt er sich als Leiter der „Gauck“-Behörde für die Aufarbeitung der Stasi-Verbrechen ein und macht die Aktenlage zugänglich. Er kämpft gegen das Vergessen und für die Demokratie: Dr. Joachim Gauck, Bundespräsident a.D. Auf Einladung des Main-Kinzig-Kreises sprach er anlässlich des Jubiläums „50 Jahre MKK“ im Barbarossasaal des Main-Kinzig-Forums.

In klaren, gut verständlichen Sätzen skizziert der Ehrengast des Abends vor gut 250 Gästen die Ostpolitik der vergangenen Jahrzehnte. Mit seiner markant dunklen, etwas rauen Stimme warnt Gauck, appelliert und macht Mut. Man dürfe angesichts von Putins Drohungen mit Atomwaffen nicht den Fehler begehen und in lähmende Angst zu verfallen. „Solche Drohungen gehören in Putins Waffenarsenal. Putin weiß, wie schnell wir Deutschen Angst bekommen“, erklärt Joachim Gauck mit Blick auf die deutsche Geschichte. Und er erklärt, warum es jetzt wichtig ist, Deutschland verteidigungsfähig zu machen. „Durch Abwarten und lieb gucken sichern wir den Frieden nicht“, stellt Joachim Gauck fest. Das sei der falsche Weg, um mit einem Aggressor wie Putin umzugehen.

Der frühere Bundespräsident zieht die Aufmerksamkeit der Zuhörerinnen und Zuhörer mit seiner ruhigen und einnehmenden Erzählstimme schnell auf sich und ist mal ernst, mal heiter und immer kurzweilig. Neben ihm auf dem Podium Landrat Thorsten Stolz und Moderator Hans Sarkowicz, der den Abend gemeinsam mit der Kulturabteilung des Main-Kinzig-Kreises vorbereitet hatte. „Sie erzählen nicht nur, sie haben vor allen Dingen auch unglaublich viel zu sagen“, stellt Landrat Thorsten Stolz begeistert fest, nachdem Joachim Gauck daran erinnert, ihn zu bremsen, falls er zu viel ins Erzählen gerät. Die Gäste applaudieren immer wieder zu den Ausführungen des früheren Bundespräsidenten, der sich mit Landrat Stolz auch über die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine austauscht, mit Tausenden von ukrainischen Flüchtlingen, die allein hier im Main-Kinzig-Kreis seit Beginn des Überfalls untergebracht und versorgt werden mussten. „Das ist für uns auf kommunaler Ebene eine große Kraftanstrengung. Um diese Aufgabe zu bewältigen, benötigen wir mehr Unterstützung seitens des Landes und des Bundes“, stellt der Landrat fest.

Gerade die aktuelle Häufung von Krisen sei für Menschen, die einem Wandel grundsätzlich kritisch gegenüberstehen, schwer zu ertragen, da dies Unsicherheit und Angst hervorrufe, erklärt Joachim Gauck. Sie würden Krisen vornehmlich als Gefahr und weniger als Chance begreifen. Da hätten die Rechtspopulisten mit ihren Heilsversprechen und Parolen leichtes Spiel. Was die Inhalte der rechtspopulistischen AfD angeht, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, so erklärte der bekennende Wechselwähler Gauck: „Ehrlich gesagt: Ich mag die AfD nicht. Ich finde politisch und kulturell keinen Zugang.“

Joachim Gauck appellierte an diesem Abend an die Zuhörerschaft, auf der Seite der Unterdrückten zu sein, nicht auf der Seite des Unterdrückers. Landrat Thorsten Stolz bedankte sich bei Joachim Gauck für dessen spannende Ausführungen.

Auf dem Foto: Dr. Joachim Gauck, Bundespräsident a.D. (Mitte) mit Landrat Thorsten Stolz (rechts) und Moderator Hans Sarkowicz

Foto: PM

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