(pm/ea) – Auch in der aktuellen Konjunktur-Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern hellt sich die Stimmung der befragten Unternehmen aller Branchen nicht auf. Deswegen planen quer durch alle Branchen mehr Unternehmen, ihre Investitionen zu reduzieren als sie zu erhöhen.
Das ist eine schlechte Nachricht für die Region, denn Investitionen erhöhen die Produktivität, fördern Innovationen und schaffen Arbeitsplätze.
„Seit der Corona-Krise war dieses Zögern nicht mehr so ausgeprägt“, berichtet IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gunther Quidde. Zwar plant immer noch fast jedes vierte Unternehmen (22,4 Prozent), die eigenen Investitionen auszuweiten, aber sehr viel mehr, nämlich 40 Prozent aller Unternehmen, wollen ihre Investitionen zurückfahren. Woher kommt dieses Zögern? Es ist die Konsequenz einer verbreiteten Skepsis der Unternehmen über die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten. Extrembeispiel ist das Gastgewerbe: Kein einziges Unternehmen sieht die zukünftige Geschäftslage als günstig an, hingegen sehen rund ein Drittel der befragten Unternehmen ihre Zukunft als ungünstig an. Das ist keine gute Nachricht für die Investitionsbereitschaft in dieser Branche: Über 70 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie weniger investieren werden.
Bei den Vorleistungsgüterproduzenten schauen zwar immerhin 18,2 Prozent optimistisch in die Zukunft, doch mit 27,3 Prozent überwiegen auch in dieser Branche die Pessimisten. Konsequenz: Knapp über der Hälfte (51 Prozent) gibt an, ihre Investitionen in Zukunft zu drosseln.
Investitionen in Grundstücke, Gebäude, Maschinen und Personal kosten Geld. Finanziert werden sie auf Kredit oder mit Eigenkapital. Das traut sich nur, wer positiv in die Zukunft schaut. Die Zahl dieser Optimisten ist über alle Branchen hinweg seit der vorangegangenen Konjunkturumfrage im Winter noch einmal um zwei Prozentpunkte auf nur noch 11,6 Prozent gesunken. Dennoch hat sich der Saldo aus positiven und negativen Erwartungen deutlich von -26,5 Prozent auf immer noch schlechte -16,1 Prozent verbessert. Denn der Anteil der Unternehmen, die in der Zukunft mit einer weiteren Verschlechterung rechnen, ist von 40,1 Prozent auf 27,7 Prozent gesunken. „Mit etwas Glück und vor allem guten Wirtschaftsnachrichten in den nächsten Monaten könnte dieses Ergebnis ein erster Hinweis auf eine Stabilisierung der Erwartungen sein, wenn auch noch auf sehr niedrigem Niveau“, meint Quidde und betont: „Aber für einen wirtschaftlichen Aufschwung reicht das noch lange nicht, sondern bedeutet weiterwachsende Arbeitslosigkeit.“
Deutlich besser als die Zukunft, aber auch noch nicht gut, wird quer über alle Branchen die aktuelle Lage eingeschätzt. Dabei fällt leider auf, dass die Zahl der Unternehmen, die mit ihrer Situation zufrieden sind, noch einmal um 1,4 Prozentpunkte gesunken ist. Der Saldo der Lagebeurteilung bleibt immerhin konstant bei 0,0 Prozent, weil der Anteil der Unternehmen, die die aktuelle Lage als schlecht einschätzen, im gleichen Ausmaß weniger geworden ist.
Um die Vielzahl an Daten zusammen zu fassen, wird der IHK-Klimaindikator gebildet. Er gewichtet die Unternehmensangaben zur aktuellen Lage und den Erwartungen an die Zukunft. Sein rechnerischer Mittelwert beträgt 100. Diese zentrale Kennzahl erreicht in der aktuellen Umfrage den Wert 91,6. Sie hat sich gegenüber der Winter-Umfrage um 5,9 Punkte verbessert, liegt aber unter dem langjährigen Durchschnitt von 108,9 sowie unter dem Wert von vor einem Jahr (102,1 Prozent). Insgesamt ist die Stimmung also noch lange nicht wieder gut, aber immerhin etwas besser als im Winter.
Ein ernüchternder Blick in die Branchen
Die Industrie prägt die Wirtschaftslandschaft im Main-Kinzig-Kreis. Doch immer mehr produzierende Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als schlecht, nämlich 34,7 Prozent, das sind gut 7 Prozentpunkte mehr als in der Winter-Umfrage und 20 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr. Deshalb stürzt der Saldo aus guten und schlechten Bewertungen ab: vor einem Jahr waren es +14,8 Prozent, im Winter nur noch -12,8 Prozent und jetzt -18,4 Prozent. Obwohl jedes sechste Industrieunternehmen (16,3 Prozent) die Lage als gut einschätzt, reicht die Verbesserung um 2 Prozentpunkte seit dem Winter nicht aus, um die schlechtere Lagebewertung vieler anderer Unternehmen zu kompensieren.
Im Großhandel schaut es nicht besser aus. Kein einziges der befragten Unternehmen bewertet die derzeitige Geschäftslage als gut und sogar jedes vierte Unternehmen bezeichnet die Lage als schlecht. Dementsprechend bricht der Saldo aus guter und schlechter Bewertung ein: von +40 Prozent vor einem Jahr über -10 Prozent im Winter auf die jetzigen -25 Prozent. Unter der schlechten Stimmung leiden nicht nur die Investitionen, auch die Neueinstellungen werden weiter zurück gehen. Nur 13,2 Prozent aller befragten Unternehmen geben an, dass ihre Beschäftigtenanzahl in Zukunft steigen wird. Hingegen sind es 21,1 Prozent der Unternehmen, die eine fallende Beschäftigtenanzahl angibt. Zwei Drittel (65,7 Prozent) wollen die Anzahl ihrer Beschäftigten etwa konstant halten. Immerhin gibt es zwei Ausnahmen: die Investitionsgüterproduzenten – hier gibt fast jedes zweite Unternehmen (45,5 Prozent) an, die Zahl der Beschäftigten erhöhen zu wollen – und das Verkehrsgewerbe, bei dem 20 Prozent mehr Personal beschäftigen wollen. Es ist anzunehmen, dass damit dem verbreiteten Mangel an Fahrern begegnet werden soll.
Die Zurückhaltung der Unternehmen schlägt unmittelbar auf den Arbeitsmarkt durch. Ende April gab es im Main-Kinzig-Kreis 13.167 Arbeitslose. Das sind 1.443 mehr als vor einem Jahr – und somit eine Steigerung von 12,3 Prozent. Von den 13.167 Arbeitslosen sind 5.176 bereits seit über einem Jahr ohne Arbeit, was die Vermittlung sehr erschwert. Dass es trotzdem Arbeitskräftemangel gibt, zeigt sich an der Zahl der offenen Stellen. Sie stieg innerhalb eines Jahres um 161 auf 2.568 im April 2024.
Unternehmen sind unzufrieden mit den Rahmenbedingungen
In der vorangegangenen IHK-Umfrage im Winter 2023/24 sahen die Unternehmen (70 Prozent) die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen als größtes Risiko. Dieser Anteil ist gesunken, aber mit 56,2 Prozent immer noch sehr hoch. Die aktuell noch laufende Bürokratieumfrage unserer IHK unterstreicht dies, denn dort klagen die Unternehmen über zu viel Bürokratie bei den Regelungen zu Arbeitssicherheit, Arbeitszeitverwaltung, Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten, Berichtspflichten, Brandschutz und Datenschutz. Aktuell wird die Inlandsnachfrage als größtes Risiko (58,8 Prozent der befragten Unternehmen) eingeschätzt. Ähnlich gravierend wird ungeachtet der steigenden Arbeitslosigkeit der Fachkräftemangel mit 56,2 Prozent eingeschätzt.
Auch die Energie- und Rohstoffpreise sehen immer noch 52,3 Prozent der Unternehmen als ein Risiko, wobei dieser Wert gegenüber der Umfrage im Winter um gut 6 Prozentpunkte gesunken ist. Tatsächlich konnten die Unsicherheiten am Energiemarkt durch die Energiepreisbremse gesenkt werden, sodass die Preise für Gas und Strom deutlich niedriger ausfielen, jedoch bewegen sich diese weiterhin deutlich über dem Vorkrisen-Niveau.
„Insgesamt zeigen die Daten der Risikobewertung keine Verschlechterung zum Jahresanfang, doch illustrieren sie in Verbindung mit der schwachen Bewertung der aktuellen wirtschaftlichen Lage und der Zukunftsaussichten die große Unsicherheit in der Wirtschaft im Main-Kinzig-Kreis,“ meint Quidde und fasst zusammen: „Mit diesen Aussichten wird es in den nächsten Monaten zu keinem Wirtschaftsaufschwung kommen. Wir müssen dankbar sein, wenn das aktuelle, niedrige Niveau der Wirtschaftsleistung gehalten werden kann.“