(pm/ea) – Landrat Thorsten Stolz sieht den CDU-Landtagsabgeordneten Heiko Kasseckert angesichts seiner Bewertung der zahlreichen politischen Kundgebungen in Deutschland und im Main-Kinzig-Kreis „nicht nur auf dem Holzweg“, sondern bezeichnet die jüngsten Äußerungen zudem als „hochgefährlich“.
Der CDU-Abgeordnete hatte auf seiner Facebook-Seite ein Interview der ehemaligen Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) geteilt, die eine Beteiligung an den „Demonstrationen gegen rechts“ grundsätzlich ablehnt. Kasseckert hatte dazu geschrieben, dass die Christdemokratin ihm damit „aus dem Herzen spricht“ und im Hinblick auf die vielerorts stattfindenden Kundgebungen davon gesprochen, dass „keine linksmotivierte Spaltung unserer Gesellschaft zugelassen werden dürfe“.
Diese pauschale Einschätzung wurde nach Meinung von Landrat Thorsten Stolz in völliger Unkenntnis oder dem Ignorieren dessen getroffen, was Tausende von Bürgerinnen und Bürger bewegt, die alleine im Main-Kinzig-Kreis an den Demonstrationen und Kundgebungen für die freiheitlich demokratische Grundordnung und die Werte des Grundgesetzes teilnehmen. „Ich habe selbst in den zurückliegenden Wochen an mehreren Veranstaltungen im Main-Kinzig-Kreis, unter anderem in Hanau, Gelnhausen, Wächtersbach, Nidderau und Langenselbold aktiv teilgenommen und sage deutlich: Ich bin dankbar in einem Landkreis Landrat sein zu dürfen, in dem Tausende von Bürgerinnen und Bürgern bei vielen Veranstaltungen im gesamten Landkreis ein deutliches Zeichen für unsere Demokratie, für unsere Freiheit, für ein friedliches Miteinander und für Menschlichkeit setzen.“
„Die Veranstaltungen der vergangenen Wochen zeichneten sich dadurch aus, dass Demokratinnen und Demokraten sich parteiübergreifend zusammenschließen und einstehen für unser wunderbares Land, die Werte unseres Grundgesetzes und gegen Verfassungsfeindlichkeit und menschenverachtendes Gedankengut“, schildert der Landrat seine Eindrücke. Auf den Veranstaltungen im Main-Kinzig-Kreis wie im gesamten Bundesgebiet komme die Mitte der Gesellschaft zusammen. Das seien keine „linken Randgruppen“, sondern die ganze Bandbreite der engagierten Zivilgesellschaft. Vertreterinnen und Vertreter aus Kirchen, Gewerkschaften, des Sports, der Ausländerbeiräte, der Kultur, der Geschichtsvereine, des sozialen und karitativen Lebens, der Kommunal-, Landes- und Bundespolitik und vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen würden hier gemeinsam auftreten, weil sie ein Zeichen setzen wollen und Haltung zeigen.
„Wir erleben hier insbesondere die engagierte Mitte der Bürgerschaft, die sich Sorgen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt und um unsere Demokratie macht. Hier kommen Menschen jedes Alters zusammen, die Deutschland und die Werte unseres Grundgesetzes lieben und friedlich aber unmissverständlich dafür einstehen“, so Thorsten Stolz. Wer diese Veranstaltungen als „linksmotivierte Spaltung der Gesellschaft“ bezeichnet, trage damit seinerseits auf gefährliche Weise zur Polarisierung bei.
Mit Blick auf die deutschlandweiten und auch im Main-Kinzig-Kreis stattfindenden Kundgebungen, die durch die Berichterstattungen über ein Zusammentreffen von Rechtsextremen und Verfassungsfeinden mit rechten Politikerinnen und Politikern in Potsdam ausgelöst wurden, wo unter dem Begriff „Remigration“ offen über die Deportation von Millionen von Menschen gesprochen wurde, sei die offensive Auseinandersetzung mit solchen demokratie- und verfassungsfeindlichen Entwicklungen dringend geboten, meint Thorsten Stolz. Diese Eindrücke hätten viele Menschen alarmiert und dazu geführt, dass sich immer mehr Menschen für die Demokratie in Deutschland wahrnehmbar positionieren.
Der Landrat erinnert daran, dass in diesem Jahr die Bundesrepublik Deutschland 75 Jahre alt wird und damit verbunden gelte es auch 75 Jahre Grundgesetz zu feiern. Das sei nicht einfach nur ein Jubiläum, sondern die Grundlage dafür, dass über 80 Millionen Menschen in der Bundesrepublik ein großes Privileg hätten. Das Privileg seit mittlerweile 75 Jahren in Frieden, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und auch einem gewissen Wohlstand leben zu dürfen. „Bei allen Herausforderungen, die unser Land unbestritten hat, sage ich auch in aller Deutlichkeit: Ich möchte in keinem anderen Land auf der Welt leben“, so Thorsten Stolz weiter.
Der Landrat nimmt aber auch die Politik in die Pflicht, die den Menschen vor dem Hintergrund großer internationaler und nationaler Herausforderungen mehr Halt und Orientierung geben müsse. „Das vermisse ich auch mit Blick auf die Ampel-Koalition in Berlin. Und es gehört hier zur Wahrheit, dass das Erscheinungsbild der Bundesregierung, anhaltende öffentliche Streitereien und auch eine gewisse Unzufriedenheit die politischen Ränder, insbesondere die extreme Rechte stärkt. Da gibt es nichts zu beschönigen“, sagt der Landrat.
Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass jede Bundesbürgerin und jeder Bundesbürger eine Eigenverantwortung habe, aus der sich auch eine staatsbürgerliche Verpflichtung ergebe. Diese Verpflichtung bestehe darin, dass eine Unzufriedenheit mit politischen Entscheidungen und Inhalten niemals dazu führen sollte, rechtsextremen und verfassungsfeindlichen Parteien die Stimme zu geben und ihnen damit möglicherweise noch zu Mehrheiten zu verhelfen.
Für hochgefährlich hält der Landrat daher die Aussage des heimischen CDU-Landtagsabgeordneten Heiko Kasseckert, weil dieser die Sprache der extremen Rechte übernehme. Die versuche seit Wochen mit solchen Aussagen, die derzeitigen Kundgebungen klein zu reden und deren Teilnehmerinnen und Teilnehmer in eine politische Ecke zu drängen. „Wer aber bei den Veranstaltungen bei uns im Main-Kinzig-Kreis mit dabei ist, der erkennt, dass die Mitte der Gesellschaft aufgerüttelt ist und der Zuspruch übergreifend aus allen demokratischen politischen Parteien und Lagern kommt. Und das ist gut so“, erklärt Thorsten Stolz weiter.
Der Landrat ermutigt die Bürgerinnen und Bürger auch an den weiteren geplanten Veranstaltungen im Main-Kinzig-Kreis teilzunehmen: „Es ist wichtig Haltung zu zeigen für unsere Demokratie und die Errungenschaften dieses Landes, die keine Selbstverständlichkeit sind. Niemand darf es sich jetzt bequem machen und die Dinge einfach sich selbst überlassen.“