Es wirkt manchmal Wunder, einen Blick durch die Satirebrille zu werfen, um die Wahrheit dahinter besser erkennen zu können. Sofern es eine gibt. Rieke-Sophie, Karl und Willi gestatten es den Leserinnen und Lesern von Erlensee Aktuell, ab und zu ihren Gesprächen zu lauschen. Heute geht es um die Wetterwarnungen.
Karl: Morsche Willi. Ich bin fix un fertisch.
Willi: Guten Morgen, Karl. Was ist denn los? Du siehst etwas mitgenommen aus.
Karl: Mitgenomme is gar kaan Ausdruck. Gestern schmeißt mich mei Erna ausm Bett und schreit, „de Putin kommt!!!“
Willi: Dann steht es aber schon schlimm um sie.
Karl: Ach was, naja manchma schon. Aber ihr scheiß Hendy wars. Hat geblinkert, gehupt un gewackelt, als ob de Weltunnergang bevorstehe tut. Die Erna hat schon en russische Panzer in Diebach gesehe.
Willi: Ach du meine Güte. Sie hat dann doch wohl etwas die Wetterwarnung überinterpretiert. Da stand ja schließlich auch so etwas wie „Extreme Gefahr – Gefahr für Leib und Leben“.
Rieke-Sophie: Hallo ihr zwei. Wer ist in Gefahr?
Willi: Karl seine Erna
Karl: Ach was, des Hendy is in Gefahr. Beinah hätt ichs in de Kloschüssel gefeuert. Die sin ja all verrückt geworde.
Rieke-Sophie: Was ist los??? Ich verstehe nur Bahnhof.
Willi: Erna hat die gestern etwas überdimensionierte Bevölkerungswarnung nicht nur sehr ernst genommen, sondern in gewisser Weise etwas überinterpretiert.
Rieke-Sophie: Ach so. Ich fand die Warnung sehr vorbildlich. Man wusste sofort: Achtung! Gefahr im Anmarsch! Ruhig bleiben und abwarten. Bloß nicht das Haus verlassen.
Karl: Vorbildlich?? Nee, bekloppt. Die ganz Menschheit is ja verrückt geworde. Was war dann los? Es war glatt und es hat geschneit. Ui: un gucke mal, heut isses weiß. Na sowas aber aach! Früher hammer Schneeballschlachte gemacht, ham uns uffn Hinnern gesetzt, weil mer hingefloche sin. Ach war des schee. Was soll dann heut aus dene Kinner wern?
Rieke-Sophie: Also meine Kinder habe ich selbstverständlich aufgrund der Warnungen nicht aus dem Haus gelassen. Schulen und Kitas waren ja vorbildlich geschlossen worden. Wir haben dafür gemeinsam gehäkelt.
Willi: Und das machen Deine Kinder mit?
Rieke-Sophie: Ja selbstverständlich, warum denn nicht?
Karl: Des is unser Zukunft, ach du lieber Gott im Himmel. Wo soll des hinführe?
Willi: Zu einer Generation, die ohne Handy niemals in den Wald gehen würde, weil diese nicht mehr herausfinden wird. Die morgens nicht aus dem Fenster schaut, sondern erst einmal sämtliche Warnungen auf ihren Geräten überprüft, ob vielleicht die Gefahr zu groß ist, den Fuß vor das Bett zu setzen.
Karl: Ich versuch, seit Stunne schon de Wetterdienst ans Telefon zu kriege. Aber es nimmt kaaner ab.
Willi: Willst Du wissen, wie das Wetter wird?
Karl: Ach was, ich will, dass die endlich uffm Hendy Entwarnung gebbe.
Willi: Entwarnung? Von der Katastrophenwarnung? Das macht niemand, weil wir ja offensichtlich ständig von Gefahren umgeben sind. Wer Entwarnung gibt, macht sich verdächtig.
Karl: Dann musste mer helfe, des schaff ich sonst net im Keller.
Willi: Was ist da im Keller?
Karl: Da unne sitzt mei Erna, hat en Helm vom Oppa uffm Kopp und will erst widder hochkomme, wenns Entwarnung gibt. Die hat schon uffm Rathaus angerufe un die Leut zusammengeschisse, warum die neue Siren net heule würd.
Willi: Da fällt mir ein, Karl, wenn wir schon beim Thema Keller sind, ich habe noch einen Kasten gutes Kellerbier, das getrunken werden möchte. Also bevor es schlecht wird, sollte ich vielleicht nachher bei Dir vorbeikommen…Lass Deine Erna doch noch ein bißchen unten sitzen und genieße die gefährliche Extremlage, in der wir uns befinden. Es gab ja auch keine Entwarnung….
Karl: Da haste mal e gute Idee, Willi. Un wenn ich mirs so überleg, also so Warnunge ham doch auch ihr Gutes.