(pm/ea) – Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Der Mensch hat in der Regel die Wahl. Und die Fans des TV Gelnhausen haben sich an diesem denkwürdigen 25. November 2023 eindeutig positioniert. Egal was passiert, diese junge Gelnhäuser Mannschaft voller Eigengewächse wird bedingungslos unterstützt.
Das war die eindrucksvolle Botschaft an diesem Samstagabend, an dem jeder Zuschauer gespürt hat: Hier wächst gerade etwas Großes heran. In einem denkwürdigen Spiel am zwölften Spieltag in der 3. Handball-Liga Süd-West trennten sich die TVG und interaktiv Handball Düsseldorf 33:33 (16:21). Dabei holten die Rotweißen in einer spektakulären Aufholjagd einen zehn-Tore-Rückstand auf und setzten dadurch wohl einen historischen Meilenstein, denn niemand konnte sich hinterher erinnern, dass es eine solche Aufholjagd jemals schon einmal in der Barbarossastadt gegeben hätte.
Das Spiel hatte aus Sicht des TV Gelnhausen noch gar nicht richtig angefangen, da war es eigentlich schon vorbei. Nach neun Minuten führten die Gäste bereits mit 7:1, nach 23 Minuten mit 19:9. Nichts, aber auch gar nichts wollte den Rotweißen gelingen. Hinten zu zaghaft, vorne fahrlässig und unkonzentriert. Selbst die Grippewelle der vergangenen Woche konnte nicht als Ausrede dienen. Auch wenn noch nicht alle Spieler im Vollbesitz ihrer Kräfte waren, so konnte Cheftrainer Matthias Geiger immerhin auf 13 Feldspieler zurückgreifen.
„Das hatte schon etwas blackoutartiges. Wir hatten uns etwas ganz anderes vorgenommen. Dann beginnt das Spiel und wir sind wie paralysiert. Dazu hat bei Düsseldorf alles wie am Schnürchen geklappt. Wir dagegen waren viel zu passiv, haben alles geschehen lassen“, sagte Geiger. „Aber selbst in diese Phase waren die Fans da und haben den Jungs zugejubelt, wenn auch nur eine klitzekleine Kleinigkeit geklappt hat. Das hat uns enorm viel Kraft gegeben.“
Die 450 Zuschauer in der Rudi-Lechleidner-Halle hätten in der Tat allen Grund gehabt, Frust zu schieben. Doch sie entscheiden sich aktiv dagegen und stärkten ihren Jungs viel lieber den Rücken, egal was da noch kommen möge. Fünf Minuten vor der Pause führte interaktiv Düsseldorf weiterhin mit 20:10 als plötzlich ein Ruck durch die Mannschaft ging. Mit vier Toren innerhalb von drei Minuten verkürzte der TVG auf 14:20 und als Keeper Julian Lahme kurz vor der Pause ins leere Tor zum 16:21 Halbzeitstand traf, keimte ganz zart erstmals so etwas wie Hoffnung auf.
In der Pause stelle Geiger das Angriffssystem um und ließ fortan mit zwei Kreisläufern agieren. Eine Maßnahme, die den Gästen gar nicht schmecken sollte. Dazu kehrte eine wild entschlossene TVG-Mannschaft auf das Feld zurück. Welch unerschütterliche Moral muss diese Mannschaft haben, denn was nun folgte, wird keiner der Anwesenden jemals vergessen. Die jungen Wilden aus der Barbarossastadt nahmen ihr Herz in beide Hände, agierten in der Abwehr plötzlich aggressiv und bissig als hätte es niemals eine desolate erste Hälfte gegeben. Die Gäste aus Düsseldorf, gespickt mit einem Kader aus ehemaligen Erst- und Zweitligaspielern, die körperlich dem TVG-Team um Längen voraus waren, kamen plötzlich ins Wanken.
Bis zur 40. Minute konnten die Gäste zwar noch den Fünf-Tore-Vorsprung verteidigen, doch danach kippte das Pendel nach und auf die Seite der nun wie entfesselt aufspielenden Gastgeber. Yannik Mocken und zweimal Leon David brachten den TVG nach 42 Minuten auf 25:27 heran. Zu diesem Zeitpunkt hielt es keinen mehr auf den Sitzen und die Hölle Süd war bereits am Siedepunkt angekommen.
Und als Jannik Geisler in der 45. Minute den 28:29-Anschlusstreffer erzielen konnte, drohte gar das Hallendach wegzufliegen. In den folgenden Minuten hatte der TVG mehrfach die Möglichkeit den Ausgleich zu erzielen, als sich plötzlich wieder Ladehemmung einstellte. Nur gut, dass Julian Lahme in dieser Phase zur Höchstform auflief und sein Team im Spiel hielt. Silas Altwein war es letztlich vorbehalten, in der 50. Minute den niemals mehr für möglich gehaltenen Ausgleich zu erzielen.
Fynn Hilb war es dann, der den TVG erstmals in dieser Partie sogar in Führung bringen konnte (56.). Die Zuschauer rasteten aus. In einer an Dramatik nicht mehr zu überbietenden Schlussphase schien das Momentum nun auf Gelnhäuser Seite. 48 Sekunden vor Schluss führte man mit 33:32, war im Ballbesitz und die Gäste in Unterzahl. Doch ein Fehlwurf verschaffte ihnen noch einmal die Möglichkeit für einen letzten Angriff. Der TVG verteidigte gut, so dass nach der Schlusssirene nur noch ein letzter Freiwurf blieb. Es passt zu dieser Partie, dass Robert Markotic eine Sternstunde erwischte und genau in den Winkel zum 33:33-Endstand traf.
Nach diesem Thriller verabschiedeten sich die Gäste klatschend und mit Gesten Richtung TVG-Fanblock. Während das vom ehemaligen nordmazedonischen Nationalspieler Filip Lazarov trainierte interaktiv Düsseldorf in Ante Grbavac (9), Dusan Maric (8), Tomislav Nuic (6) die erfolgreichsten Torschützen hatten, waren bei Gelnhausen Mocken (9), der vier von vier Siebenmetern verwandeln konnte, Hilb (7) sowie Geisler und Altwein (je 5) die treffsichersten Schützen.
„Leider konnten wir uns am Schluss nicht komplett belohnen. Aber zehn Tore aufzuholen, gegen eine so bärenstarke Mannschaft mit international erfahrenen Spielern, die Erst- und Zweitligaerfahrung mitbringen, ist eine überragende Leistung. Wir sind immer stärker geworden und Düsseldorf wusste gar nicht mehr was passiert. Jeder hat gesehen, was unsere Jungs können. Jetzt hoffen wir auf einen vollständigen Kader, damit wir endlich Kontinuität in unser Spiel bringen, denn auf uns warten bis Weihnachten noch schwere Aufgaben“, sagte Geiger.
Am kommenden Samstag muss der TVG zur Mannschaft zur HG Saarlouis, die mittlerweile mit 15:9 Punkten auf Rang vier geklettert sind. Der TV Gelnhausen rangiert mit 9:15 Punkten auf dem elften Tabellenplatz. Am 9.12. (19.30 Uhr) ist dann die TuS Dansenberg zu Gast in der Rudi-Lechleidner-Halle.
Foto: PM
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