(ms/ea) – Angst macht sich breit unter jüdischen Mitbürgern, auch hier in der Region. Niko Deeg, Vorsitzender der Jüdischen Chassidischen Kultusgemeinde Breslev Deutschland mit Sitz in Hanau, berichtet von der aktuellen Gefährdungslage jüdischer Einrichtungen sowie von Hass und Gewalt auch gegenüber seiner Familie.
Der Terrorangriff auf Israel und der weltweite Aufruf der Hamas zu gewalttätigen Aktionen gegen jüdische Einrichtungen wirkt sich auch hier aus. Jüdische Synagogen stehen in ganz Deutschland unter Polizeischutz. Niko Deeg steht in ständigem Kontakt mit den Sicherheitsbehörden, Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der jüdischen Breslev Gemeinde wie der jüdischen Bildungsstätte wurden getroffen. Details möchte der Gemeindevorstand aus sicherheitsrelevanten Gründen öffentlich nicht beschreiben.
Die Verunsicherung ist so groß, dass man als Jude nicht mehr in der Gesellschaft erkannt werden möchte. Es wurde ihm gegenüber die Bitte vorgebracht, keine Briefe mehr zuzusenden, anhand derer man auf die Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinde im Absender schließen könnte. Dies aus Angst, die Nachbarn könnten über die Jüdischkeit wissen.
Kinder werden in Schulen von Gleichaltrigen antisemitsch angegangen. Eine an einer Schule im Main-Kinzig-Kreis geplante Veranstaltung zum 9. November, in der an die Reichsprogromnacht erinnert werden sollte, wird nun ohne die Schulkinder stattfinden. Die Lehrerinnen haben Angst, die Gedenkveranstaltung könne zum Ziel von gewalttätigen Ausschreitungen werden.
Für Niko Deeg, der sich seit vielen Jahren beim Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ engagiert und sich sehr engagiert für interkulturellen und interreligiösen Dialog einsetzt, sind die Vorkommnisse – gerade auch an den Schulen – auf der einen Seite unfassbar, auf der anderen Seite aber leider auch zu erwarten gewesen. Denn man habe zu lange die Augen verschlossen, dass unter einigen arabischstämmigen Migranten und Deutschen mit entsprechendem Migrationshintergrund ein latenter Judenhass herrsche. Die erschreckenden Bilder aus zahlreichen deutschen Stätten, die das aggressive Verhalten einiger antisemitischen Pro-Palästina Demonstranten widerspiegen, sprechen für sich.
Auch unter Kindern und Jugendlichen dieser Familien herrsche ein großes Emotionalisierungspotenzial, was bei Einzelnen auch zu Radikalisierungstendenzen führe. „Wenn während einer von uns organisierten Besichtigung einer jüdischen Gedenkstätte von Schülern beim anschließenden Gruppenbild das Handzeichen des Islamischen Staates gezeigt wird, wenn Schüler in Videos islamistische Parolen zeigen und mit Musik zum heiligen Krieg aufrufen und diese verbreiten und wenn jüdische Mitschüler als „Scheiß Juden“ beschimpft und mit Dreck beworfen werden, dann frage ich mich mittlerweile, ob es schon wieder soweit ist“, so Niko Deeg.
Auch hiesige Politiker sind aufgefordert, die wahren Ursachen des offen zutage tretenden Judenhasses unmissverständlich klar zu benennen.. „Man darf hier nicht länger die Augen verschließen“, so Niko Deeg.
Muslimische und türkische Organisationen haben zwischenzeitlich an alle Muslime in Deutschland appelliert, sich nicht von der Hamas instrumentalisieren zu lassen. „Wir müssen über den Nahostkonflikt in den Schulen reden, auch mit viel Prävention“, so die Migrationsbeauftagte Alabali-Radovan in einem Bericht von ntv. Das sei in den letzten Jahren zu kurz gekommen.
Niko Deeg wird sich auch weiterhin unverändert engagiert für Toleranz, Versöhnung und Demokratie einsetzen. Trotzdem macht er sich große Sorgen um die Zukunft. „Ein Rabbi fragte mich vor längerer Zeit, ob ich einen Plan B habe, was das jüdische Leben in Europa angeht, was ich nicht sofort verstand. Mit Plan B meinte er, nach Israel auszuwandern. Jetzt frage ich ihn nach der aktuellen Lage in Israel, ob er einen Plan C hat“, so Niko Deeg abschließend fragend, wohin man denn jetzt ziehen solle, wenn sich die Lage weiter verschärft.
2023 in Deutschland, 2023 hier in der Region: Jüdische Mitbürger fürchten um ihr Leben!
Foto: Privat