Landrat Thorsten Stolz sieht kommunale Finanzen in „erheblicher Schieflage“

(pm/ea) – Der Main-Kinzig-Kreis steht mit Blick auf die Entwicklung der Haushalts- und Finanzsituation des Landkreises vor großen Herausforderungen und Kraftanstrengungen.

„Bereits heute ist absehbar, dass wir spätestens ab dem Jahr 2024 auf eine finanziell sehr herausfordernde Zeit zusteuern. Und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Viele hessische Landkreise, darunter eben auch der Main-Kinzig-Kreis, stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand und geraten zusehends in eine finanzielle Schieflage“, bewertet Landrat Thorsten Stolz die aktuelle Haushaltsplanung sowie die Perspektive für die Kommunalfinanzen insgesamt.

Als konkrete Ursache für diese Entwicklung benennt der Landrat eine permanente Übertragung zusätzlicher Aufgaben durch Bund und Land auf die kommunale Ebene, die unzureichende Kostenerstattung bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben wie beispielsweise bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten und Asylbewerbern sowie die Tatsache, dass die kommunale Ebene, wie beispielsweise bei der Krankenhausfinanzierung, „die Feuerwehr spielen“ müsse. „Die Aufstellung des Doppelhaushaltes 2024/2025 wird ganz klar eine große Kraftanstrengung und findet diesmal unter ganz anderen Vorzeichen statt“, kündigt der Landrat an.

Zusätzliche Belastungen kommen zustande für den Kreishaushalt beispielsweise durch Steigerungen im Sozial- und Jugendhilfebereich, im Kommunalen Center für Arbeit, im Öffentlichen Personennahverkehr, durch Tarifsteigerungen, durch zu geringe Kostenerstattungen im Bereich Flucht und Asyl sowie nicht zuletzt durch die millionenschweren Unterstützungsmaßnahmen für die Main-Kinzig-Kliniken. In den zurückliegenden Jahren konnte der Landkreis stets ausgeglichene Haushalte vorlegen. Davon sei der Main-Kinzig-Kreis bei den derzeit bekannten Rahmenbedingungen und trotz aller Bemühungen weit entfernt.

Der Landrat verweist darauf, dass über 90 Prozent der Aufwendungen der Verwaltung auf gesetzlichen Verpflichtungen basieren. Es sei daher für die Verwaltung nicht ohne weiteres möglich, in großem Umfang die Leistungen zu kürzen. Zudem sei es nicht vertretbar, dass wichtige Investitionen in die Infrastruktur wie zum Beispiel Schulen, Glasfaserausbau, Digitalisierung, Pflege, Verkehr und Klimaanpassung in großem Umfang zurückgestellt werden.

„Wir kommen aus einer stabilen wirtschaftlichen Situation und haben in den zurückliegenden Jahren finanzielle Überschüsse dazu genutzt, um sehr viel in die Infrastruktur zu investieren und auch in einem erheblichen Umfang Schulden abzubauen. So lag die Verschuldung des Main-Kinzig-Kreises im Jahr 2012 noch bei insgesamt 652 Millionen Euro und konnte bis Ende 2022 auf insgesamt 235 Millionen Euro kontinuierlich zurückgeführt werden“, berichtet Thorsten Stolz als verantwortlicher Finanzdezernent über eine insgesamt positive Entwicklung. Auch habe der Landkreis über diesen Zeitraum eine gewisse Reserve aufbauen können.

Der Landrat sagt aber auch offen, dass die finanziellen Reserven mit dem Jahr 2023 in Gänze aufgebraucht sind: „Hier gehört schlicht und einfach zur Wahrheit, dass eine wesentliche Ursache dafür ist, dass die Zuweisungen von Bund und Land für die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten und Asylbewerbern nicht ausreichend sind. Ich wiederhole mich hier, aber es kann nicht sein, dass wir hier durch Bund und Land wie Bittsteller behandelt werden und das verfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip erneut völlig außer Acht gelassen wird. Die Landkreise, Städte und Gemeinde haben seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine organisatorisch, logistisch, personell und auch finanziell großartiges geleistet.“ Auch vor diesem Hintergrund hat der Main-Kinzig-Kreis bereits mehrfach die Verteilung von Geflüchteten und Asylsuchenden innerhalb Hessens kritisiert und eine Klage vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht.

In einem ersten Schritt wird der Main-Kinzig-Kreis ein eigenständiges Konsolidierungspaket schnüren, um Haushaltsverbesserungen zu erreichen, kündigt Thorsten Stolz an. Das wird Maßnahmen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite gleichermaßen betreffen. Das Ziel ist es hier, das Defizit im Hinblick auf den geplanten Doppelhaushalt aus eigener Kraft heraus zu reduzieren. Dabei sei aber auch klar, dass ein solches Konsolidierungspaket nicht die zu erwartenden Steigerungen im Sozial- und Jugendhilfebereich, im ÖPNV oder die millionenschweren Unterstützungsmaßnahmen für die Main-Kinzig-Kliniken werde kompensieren können.

Weiterhin wird der Main-Kinzig-Kreis, analog anderer Landkreise, das Aussetzen der Zahlungen an die Hessenkasse beantragen. Eine entsprechende Beschlussvorlage soll bereits im November im Kreistag beschlossen werden. Aktuell zahlt der Main-Kinzig-Kreis pro Jahr 10,3 Millionen Euro an die Hessenkasse.

Darüber hinaus formuliert der Landrat des Main-Kinzig-Kreises aber auch klare Erwartungen gegenüber dem Land Hessen, das die rechtlichen Vorgaben für die Haushaltsgenehmigungen macht: So müsse das Land Hessen im Hinblick auf die finanzielle Entwicklung der kommunalen Ebene bei den bislang restriktiven Vorgaben für die Haushaltsgenehmigungen deutliche Lockerungen vornehmen und auch wieder Neuverschuldungen zulassen. Das müsse auch deshalb geschehen, um die Städte und Gemeinden nicht weiter in Grund- und Gewerbesteuererhöhungen zu treiben. „Die derzeitigen rechtlichen Vorgaben zur Haushaltsgenehmigung passen in wirtschaftlich stabilen Zeiten, aber nicht, wenn eine nicht durch die Kommunen zu verantwortende Aufgabenfülle ohne gleichzeitig ausreichende Gegenfinanzierung zu bewältigen ist. Hier muss das Land ganz klar umdenken und zwar jetzt“, so der Landrat weiter.

Thorsten Stolz ist in diesem Zusammenhang bereits über den Hessischen Landkreistag tätig geworden, da viele hessische Landkreise aktuell vor gleichen Herausforderungen stehen.
Der Landrat hat dieser Tage auch bereits die Fraktionsvorsitzenden im Kreistag sowie die Bürgermeisterinnen und Bürger über die sich abzeichnenden Rahmenbedingungen für den Doppelhaushalt 2024/2025 informiert: „Es geht jetzt vor allem darum Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die finanziellen Spielräume erheblich eingeschränkt sind und die Aufstellung, Beratung und Beschlussfassung des Doppelhaushaltes eine immense Kraftanstrengung bedeutet. Gleichzeitig geht es aber auch darum, den Spagat zwischen Konsolidierung einerseits und wichtigen Zukunftsinvestitionen, beispielsweise in Bildung und Schule, andererseits, zu schaffen.“

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