(ms/ea) – Keiner der 16 anderen Tagesordnungspunkte der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstagabend beanspruchte mehr Zeit bis zu einer Beschlussfassung als Tagesordnungspunkt 8 aufgrund der Diskussion um den Antrag der CDU-Fraktion auf Ablehnung gendergerechter Sprache.
Die CDU-Fraktion hatte wörtlich beantragt:
„Die Verwaltung der Stadt Erlensee sowie die Stadtverordnetenversammlung lehnt die Verwendung gendergerechter Sprache in Form der Verwendung von sogenannten „Gender- Sternchen, Bindungs-I’s, Unterstrichen, Doppelpunkten“ und der Gleichen ab.
Die Verwaltung, der Magistrat und die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung verpflichten sich der Verwendung grammatikalisch richtiger Schreibweisen, wie sie auch der Rat für deutsche Rechtschreibung und die Gesellschaft für deutsche Sprache vorgibt.“
CDU-Fraktionsvorsitzender Horst Pabst begründete in seiner Rede den Antrag damit, dass die Verwendung von gendergerechter Sprache offiziell nicht anerkannt sei und fragte: „Warum zerstören wir unsere eigene Sprache?“ und kritisierte die „Verschandelung der Sprache“.
Bürgermeister Stefan Erb erläuterte, dass der Magistrat bereits in einem Schreiben intern darauf hingewiesen habe, die Gendersprache nicht zu verwenden, zumal der Rat der deutschen Rechtschreibung diese als rechtschreibwidrige Formulierung bezeichnet habe und die Verwaltung sich an Vorgaben der Ministerien halte.
Sylvia Ostermeyer von Bündnis90/Die Grünen entgegnete, dass die Gendersonderzeichen bereits auf halbem Wege seien, ins amtliche Regelwerk aufgenommen zu werden und daher der CDU-Antrag sich in Kürze erledigen werde. „Gendern macht Frauen und Diverse sichtbarer“, so Ostermeyer, die forderte, dass es weder einen Zwang zu gendern noch ein Verbot geben solle.
SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Martin Maul betonte, dass Sprache in Bewegung sei, man würde heute nicht mehr Latein sprechen oder Hieroglyphen verwenden. Er schlug vor, vom CDU-Antrag lediglich den zweiten Teil zur Abstimmung zu stellen.
Nach weiteren kontroversen Diskussionsbeiträgen nahm CDU-Fraktionsvorsitzender Horst Pabst den Kompromissvorschlag an, so dass letztendlich nur über den zweiten Teil des CDU-Antrags abgestimmt wurde. Dieser fand eine knappe Mehrheit.
Letztlich beschloss die Stadtverordnetenversammlung nun: „Die Verwaltung, der Magistrat und die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung verpflichten sich der Verwendung grammatikalisch richtiger Schreibweisen, wie sie auch der Rat für deutsche Rechtschreibung und die Gesellschaft für deutsche Sprache vorgibt.“
Ob die Frage eines der wenigen Besucher im Nachgang der Sitzung, ob es denn eines Beschlusses bedürfe, damit die Erlenseer Verwaltung und Gremien „richtiges Deutsch“ schreiben, eventuell nicht ganz ernst gemeint war, ist nicht bekannt.
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Diskussionsbedarf bestand auch bei der beantragten Änderung der „Benutzungssatzung über die Betreuung von Kindern in den Tageseinrichtungen für Kinder in der Stadt Erlensee“:
In der aktuellen Benutzungssatzung ist geregelt, dass die KiTas wegen Fortbildungsmaßnahmen des Personals, Betriebsausflug, krankheitsbedingten Personalausfällen, Streiks und höherer Gewalt an fünf Werktagen schließen können. Geändert sollte dies in „wegen Fortbildungsmaßnahmen des Personals, Betriebsausflug, Personalversammlungen und Faschingsdienstag an sieben Werktagen schließen können“.
Kritik gab es unter anderem von CDU-Fraktionsvorsitzendem Horst Pabst, der die Änderung auf 6 Tage begrenzen wollte und hier insbesondere das Betreuungsproblem der Eltern ansprach.
Auch wurde darüber debattiert, ob der Faschingsdienstag in Erlensee mit dem Auftritt der Guggemusiker zur Tradition gehöre.
Erste Stadträtin Behr (CDU) erwiderte, man solle hier nicht kleinkariert über diese eine Stunde debattieren und dem Antrag zustimmen. Schließlich wurde dieser jedoch in den Sozialausschuss verwiesen, da man weiteren Diskussionsbedarf sah.
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Ein weiterer CDU-Antrag, den Richtpreis für die Veräußerung von Erbbaugrundstücken ab sofort auf mindestens 2/3 des Bodenrichtwertes zu erhöhen, wurde in den Haupt- und Finanzausschuss verwiesen.
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Ebenfalls in einen Ausschuss, hier in den Bau- und Umweltausschuss, wurde der Antrag der SPD-Fraktion verwiesen, den Graben in den Weideswiesen so zu pflegen und zu unterhalten, dass sich dadurch ein positiver Effekt für den Grundwasserspiegel und Amphibien in diesem Gebiet erzielen lässt.
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Weiter wurde ohne größere Diskussionen beschlossen:
– Dem SPD-Antrag, eine oder mehrere Sammelstellen für private Speiseöl- und Speisefettabfälle einzurichten, wurde zugestimmt.
– Dem Bebauungsplan „1. Änderung und Erweiterung Markwaldsiedlung“ sowie dem Städtebaulichen Vertrag und Tauschvertrag zwischen der Nassauischen Heimstätte und der Stadt Erlensee wurde zugestimmt.
Die Nassauische Heimstätte möchte in der Markwaldsiedlung eine Nachverdichtung vornehmen, um weiteren bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Derzeit sind 149 Wohneinheiten an Familien und ältere Personen vermietet. Die ca. 150 neu geplanten Wohneinheiten sollen das Wohnungsangebot erhöhen. Parallel zum Bebauungsplanentwurf wurde ein Städtebaulicher Vertrag nebst Tauschvertrag zwischen der Stadt Erlensee und der Nassauischen Heimstätte verfasst, der die Entwicklung des Gebiets regelt und mit dem sich die Nassauische Heimstätte verpflichtet, die entstehenden Kosten zu tragen.
– Beschlossen wurde der Jahresabschluss der Stadt Erlensee für das Haushaltsjahr 2019 nach der Vorlage des Schlussberichtes des Amtes für Prüfung und Revision des Main-Kinzig-Kreises
und somit der damalige Magistrat entlastet.
– Zum Nachtragshaushaltsplan 2023 wurde das Investitionsprogramm für den Zeitraum 2022 bis 2026 nachträglich beschlossen, da dies versehentlich bei der Verabschiedung des Nachtragshaushalts nicht berücksichtgit worden war.
– Der Beitritt zur Interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) „Erfassung von Altablagerungen und Altstandorten im Main-Kinzig-Kreis“ wurde beschlossen.
– Zugestimmt wurde der Erhöhung des Stammkapitals von 100.000 € auf 200.000 € durch Änderung des Gesellschaftsvertrages und der Anpassung des Konsortialvertrages der KEAM Kommunale Energie aus der Mitte GmbH sowie dem Verzicht auf den Erwerb neuer Geschäftsanteile zustimmen.
Hintergrund der KEAM ist, dass die EAM-Gruppe als regionaler Energieversorger interessierten Kommunen, kommunalen Einrichtungen und Landkreisen in ihrem Geschäftsgebiet die Möglichkeit bieten möchte, durch eine Beteiligung an der Gesellschaft, effizient und unkompliziert Strom und Erdgas für ihre eigenen Liegenschaften zu beschaffen.
– Ein bestehender Erbbauvertrag wurde abgelöst. Das dazugehörige Erbbaugrundstück kann zu einem Kaufpreis in Höhe von 150,00 € /qm, mithin 91.200 €, an die Erbbauberechtigte verkauft werden.
– Eine neue Satzung der Stadt Erlensee über die Erhebung von Gebühren für die Unterbringung von Personen nach dem Landesaufnahmegesetz (LAufnG) wurde beschlossen.
Der Antrag auf Einführung einer standardisierten Prüfung der Klimarelevanz aller Beschlussvorlagen für die Stadtverordnetenversammlung und den Magistrat wurde von der Fraktion Bündnis90/Die Grünen zurückgezogen.
Bericht und Archivfoto: Markus Sommerfeld