(iz/ea) – Es waren gut einhundert Gäste aus Erlensee, die die Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Erlensee, Birgit Reuhl, am Sonntagvormittag in der Erlenhalle anlässlich des Neujahrsempfangs der Partei begrüßen konnte.
Doch bevor die Veranstaltung politisch Fahrt aufnahm, strömten mehr als zwei Dutzend Kinder des Chors „Klangsternchen“ in den Raum und versammelten sich vor dem Klavier ihres Dirigenten Alexander Franz, um unter seiner Leitung mehrere sowohl vom Inhalt als auch Klangarrangement her interessante Stücke zu bieten. Die Kids legten sich mächtig ins Zeug und sammelten im Anschluss an die Darbietung langen Applaus ein.
Im Anschluss an den Auftritt der Nachwuchsstimmen begrüßte Birgit Reuhl zunächst die anwesende politische und gesellschaftliche Prominenz, allen voran MdB Lennart Oehl und MdL Christoph Degen sowie den anschließenden Hauptredner der Veranstaltung, Landrat Thorsten Stolz. Auch die Spitzen der Stadt sowie der gesellschaftlich tätigen Organisationen und Verbände erhielten ein herzliches Willkommen, verbunden mit den besten Wünschen für das bereits begonnene Jahr 2023.
Nach einer kurzen Vorstellung des Landrates Thorsten Stolz durch die Vorsitzende übernahm dieser das Mikrofon und berichtete über die aktuelle Situation im Main-Kinzig-Kreis und alles, was ihm hierzu persönlich besonders am Herzen liegt. Dabei ließ er sich auch von einem plötzlich verstummenden Mikrofon nicht beeindrucken und zeigte während der eigenhändigen Montage des Ersatz-Mikros, dass sich ein Profi von solchen Situationen nicht aus der Ruhe bringen lässt.
Zu Beginn seiner Rede ging der Landrat zunächst kurz auf die Herausforderungen ein, die der Ukraine-Krieg auch für den Main-Kinzig-Kreis gebracht hatte und sicherlich noch bringen wird. Mit Blick auf den Kinderchor, dessen Auftritt auch ihn zu langem Applaus bewogen hatte, wies Stolz auf die vielen Kinder hin, die aktuell den Kriegswirren ausgesetzt seien und aus ihrer bis dahin friedlichen Kinderwelt herausgerissen wurden. „An den Frieden denken heißt an die Kinder denken!“, zitierte der Landrat einen Satz von Michael Gorbatschow und forderte Wladimir Putin auf, sich diesen Satz von einem seiner Vorgänger zu Herzen zu nehmen und umzudenken.
Die wirtschaftliche Entwicklung des MKK stand als nächstes auf dem Skript von Thorsten Stolz. Der mit gut 420.000 Einwohnern bevölkerungsreichste Kreis in Hessen habe trotz aller Widrigkeiten in der Vergangenheit einen beachtlichen Sprung nach vorne gemacht. „Wir befinden uns hier derzeit in einer Transformation“, beschrieb Stolz den aktuellen Wandel innerhalb der Arbeits- und Wirtschaftswelt; dies gelte auch und insbesondere für Erlensee.
In einem Abstecher zur Bildungssituation nannte der Landrat eine Summe von 150 Mio. Euro, die in den Ausbau und die Renovierung von Schulen, auch in den Neubau einer Schule in Erlensee, fließen würden. In diesem Zusammenhang bekannte sich Stolz auch klar zur Beibehaltung der integrierten Gesamtschule; dies gelte auch für Erlensee.Im Anschluss fasste der
Landrat recht behutsam das Erlenseer „heiße Eisen“ Hallenbad an und stellte klar, dass in dieser Angelegenheit der MKK nur als Teil einer möglichen Lösung gesehen werden kann. Zuvörderst sei die Angelegenheit Hallenbad Sache der Stadt, die man natürlich seitens des Kreises so gut wie möglich unterstützen würde. Es ginge in dieser Sache auch um das Schulschwimmen und die Schwimmausbildung für Kinder, deren Wegfall hier im Raum stehen und ein großer Verlust werden würde. Derzeit würde man das Schulschwimmen mit 2,5 Mio. Euro bezuschussen; etwa ein Zehntel davon würde an Erlensee gehen. Doch auch das Land Hessen müsse endlich einmal in Bewegung kommen, um die vielerorts drohenden Bäderschließungen zu verhindern. Das bedinge allerdings auch für die Entscheidungsträger, parteienübergreifende Allianzen zu schließen, um hier eine Lösung zu finden, so Stolz im Abschluss.
Nach kurzem Streifen des Glasfaserausbaus sowie der Erweiterung der Pflege-Versorgung im MKK griff der Landrat das Problem des Mangels an bezahlbarem Wohnraum im Kreis auf; auch Erlensee sei von diesem Phänomen betroffen. Zwar gäbe es vielerorts Bauvorhaben, die Wohnraum schaffen würden; allerdings seien diese Wohneinheiten dann oftmals für Normal- oder Kleinverdiener von der Höhe der Mieten her unerreichbar. Um für diese Haupt-Herausforderung des Main-Kinzig-Kreises einem Lösungsansatz zu finden, wies Stolz auf sein Vorhaben hin, eine kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft ins Leben zu rufen, die für Wohnraum mit bezahlbaren Mieten sorgen könnte. „Wir sind teilweise nicht in der Lage, unsere angeworbenen Fachkräfte zu halten, weil diese die Mieten nicht bezahlen können“, gab der Landrat zu bedenken und wies im Gegensatz dazu auf Einrichtungen und Unternehmen hin, die für ihre Mitarbeiter bezahlbare Appartements vorhalten.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien würde im MKK gut voranschreiten, zeigte sich der Landrat im weiteren Verlauf seiner Rede zufrieden. Im aktuellen Stand wäre es sogar möglich, alle privaten Haushalte im Kreis mit dieser Energieform zu versorgen. Anders sähe es allerdings für die Wirtschaftsstandorte aus; hier würde – trotz der zwischenzeitlich vorhandenen großen Solarfläche und der über einhundert Windräder – noch einiges zu tun sein, um zumindest eine teilweise Versorgung zu ermöglichen. Stolz ging in diesem Zusammenhang auch auf die Wasserproblematik ein und wies auf ein in seinen Augen hochinteressantes Projekt „Oberflächenwasser“ hin, bei dem etwa das Wasser des Kinzig-Stausees in Trinkwasser umgewandelt würde. Das Vorhaben, bei dem das wichtige Grundwasser vor Entnahme geschont wird, habe die Testphase bereits hinter sich und befände sich kurz vor der eigentlichen Umsetzung. „Wir brauchen im Kreis beim Wasser absolute Versorgungssicherheit“, kommentierte Stolz das Oberflächen-Wasser-Projekt und rief gleichzeitig dazu auf, die noch vorhandenen, aber kleiner werdenden Grundwasserreserven zu schonen.
Abschließend wies der Landrat in seiner Rede auf ein Problem hin, das ihm persönlich schon seit langem unter den Nägeln brennen würde. Die Ausstattung der Polizeidienststellen im MKK mit Beamtinnen und Beamten sei ein einziges Trauerspiel, das von ihm und auch seinen Vorgängern schon unzählige Male bei den Entscheidungsträgern in Wiesbaden angemahnt wurde. „Man hat in den letzten Jahren 2.200 junge Leute zu neuen qualifizierten Polizisten ausgebildet – und der einwohnerstärkste Kreis in Hessen bekommt davon gerade einmal 53“, zeigte sich Stolz ziemlich empört hinsichtlich dieser Ungleichbehandlung und forderte eine zeitnahe Aufstockung der Personalstärke auf allen MKK-Polizeidienststellen. Mit mehr Beamten sei etwa die Einführung einer 5. Dienstgruppe auf den Stationen möglich, was intern zu Abbau von Belastungen und Überstunden bei den derzeit vorhandenen Beamten und auf der Straße zu mehr Polizeipräsenz führen würde.
Für seine Rede, die wie immer sehr authentisch herüberkam, erhielt der Landrat den langanhaltenden Beifall der Zuhörerschaft; zudem konnte Thorsten Stolz ein kleines Präsent von Birgit Reul in Empfang nehmen. Die SPD-Vorsitzende lud im Anschluss alle Gäste des Empfangs zu einem kleinen Imbiss und Small-Talk ein, was auch von Anwesenden gern angenommen wurde.
Bericht und Fotos: Ingbert Zacharias