(ms/ea) – Seit 1. November 2016 ist Claudia Herchenröther Pfarrerin in Erlensee. Im Erlensee Aktuell-Interview lässt sie die vergangenen fünf Jahre noch einmal Revue passieren.
Vor fünf Jahren sind Sie nach Erlensee-Langendiebach gekommen mit der Absicht zu bleiben. In der Geschichte der Kirchengemeinde Erlensee-Langendiebach eine seltene und daher umso erfreulichere Nachricht, die Sie damals verkündeten. Wie war die Zeit des „Ankommens“? Seit wann sind Sie so richtig „hier“?
Der Empfang war von Anfang an sehr herzlich. Ich habe aber dennoch so etwa zwei Jahre gebraucht, um richtig heimisch zu werden. Es braucht eben seine Zeit, gewachsene Strukturen zu verstehen, zu erkennen, wer gehört zu wem, welche Vereine gibt es und wie unterstützen sie sich gegenseitig. Auch in die verschiedenen Arbeitsfelder, Aufgaben und Pflichten musste ich mich erst richtig einarbeiten. Man kommt aus dem Vikariat direkt in die Gemeinde und ist von heute auf morgen für vieles verantwortlich, ohne alles zu kennen oder gar zu können. Das braucht alles seine Zeit.
Gab es besondere Highlights in dieser Zeit?
Es gab immer wieder schöne Erlebnisse. Spontan fallen mir die Gottesdienste beim Blütenfest und der ökumenische Gottesdienst beim Erlenseer Stadtfest ein. Auch die Arbeit mit den Kitas und dem TKJE macht mir viel Spaß. Sehr gefreut habe ich mich auch, dass wir mit der Ü-Kirche (Überraschungskirche) einen großen Erfolg hatten. Die Kirchengemeinde wurde sogar dafür mit einem Preis geehrt. Im Jahr 2019 sind wir mit der Ü-Kirche an den Start gegangen, mit der Idee, ein generationenübergreifendes Angebot zu machen, wo jeder und jede mitmachen kann. Spielen, basteln, ein kleiner Gottesdienst und ein anschließendes gemeinsames Essen ist der Ablauf einer Ü-Kirche. Dreimal konnten wir 2019 die Veranstaltung durchführen und noch einmal im Februar 2020, danach war coronabedingt bis heute Zwangspause. Zu jeder Ü-Kirche kamen bis zu 65 Personen, inklusive der ehrenamtlichen Helfer.
Corona hat bisher ein Drittel Ihrer Amtszeit geprägt. Wie ist die Kirchengemeinde durch diese Zeit gekommen und welche Herausforderungen beschäftigen Sie derzeit am meisten?
Insgesamt sind wir gut durch die Corona-Zeit gekommen, die aber trotzdem natürlich große Einschnitte mit sich brachte. Die persönliche Begegnung, Nähe und Gemeinschaft mussten in allen Altersgruppen von den Kita-Kindern, über die Konfis bis zu den Senioren von einem Moment auf den anderen komplett eingestellt werden. Das war und ist für uns alle nicht leicht, weil Gemeinschaft ein wichtiges Bedürfnis von uns Menschen ist.
Besonders das Abschiednehmen und die Trauerfeiern waren und sind in dieser Pandemie eine große Herausforderung, die Sterbende und Angehörige stark belasten. Wenn man am Ende des Lebens nicht Dasein darf und wenn man dann auch auf dem Friedhof nur im kleinsten Kreis Abschied nehmen darf, ist das besonders schmerzlich. Wir Pfarrerinnen und Pfarrer müssen nochmal ganz anders seelsorgerlich vorgehen und das Geschehene aufnehmen.
Der Kirchenvorstand hat seit Beginn der Pandemie große Vorsicht walten lassen, und Gottesdienste, Veranstaltungen, Gruppen und Kreise lange Zeit abgesagt. Er geht auch weiterhin diesen vorsichtigen Weg. Wir hoffen, dass es am Weihnachtsfest 2021 wieder Präsenz-Gottesdienste geben wird, wenn auch mit Regeln und Einschränkungen.
Jenseits der Pandemie ist für mich und die ganze Gemeinde der enorme Sanierungsbedarf unserer Gebäude eine starke Herausforderung, insbesondere der Langendiebacher Kirche. Die Sanierung des Kirchendachs ist seit 2004 ein großes Thema. Seitdem dienen Stützpfeiler als vorübergehende Stabilisierungsmaßnahme. Mittlerweile besteht für das gesamte Kirchengebäude erheblicher und dringender Sanierungsbedarf. Allein für das Dach müssen nach gegenwärtigem Stand mehr als 1,5 Millionen Euro veranschlagt werden. Hinzu kommen die Kirche und die Gebäude in Rückingen.
Auch die vielen personellen Veränderungen, die jedes Mal zur Folge hatten, dass man sich wieder neu orientieren und festlegen muss, wer welche Schwerpunkte übernimmt oder einbringen kann, sind immer wieder ein Prozess, der längere Zeit braucht.
Traurig macht mich manchmal, dass ich für die eigentlich wichtigste Aufgabe einer Pfarrerin, die Seelsorge, aufgrund der vielen Verwaltungsarbeit, auch bedingt durch die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen, viel zu wenig Zeit habe.
Was haben Sie sich für die nächsten 5 Jahre vorgenommen?
Ein wichtiges Thema für mich ist, dass wir mehr regelmäßige Angebote für Familien mit Kindern haben. Mit der Ü-Kirche ist der Anfang gesetzt. Leider kam Corona dazwischen. Aber ich hoffe, dass wir hier bald wieder durchstarten können und weitere Veranstaltungen ins Leben rufen und etablieren können.
Die angesprochenen Sanierungen bleiben natürlich Hauptthema. Dazu gehört auch, wie wir unsere Überlegungen, die Kirche in Langendiebach multifunktional zu nutzen, umsetzen können. Ziel ist es, mehr Leben in die Kirche zu bringen und sie nicht nur sonntags zu nutzen.
Uns alle wird weiter der Mitgliederschwund in der Kirchengemeinde sehr beschäftigen. Wir haben zu viele Gebäude für zu wenige Gemeindemitglieder, so dass wir uns nicht alle leisten können. Das war auch der Grund, weshalb wir die Fröbelstraße 5 bis 9 an die Stadt Erlensee verkaufen mussten. Hier sollen neue Räume für die weiterhin in Trägerschaft der Ev. Kirche befindliche Kita entstehen.
Klar muss aber auch jedem sein, dass sich mit dem Rückgang der Mitgliederzahlen auch das Gemeindeleben vor Ort verändert, vom Personal, über die Gebäude bis hin zu den Angeboten. Die Anzahl der Pfarrstellen oder die Finanzzuweisung an eine Kirchengemeinde richten sich bei uns nur nach den Gemeindegliederzahlen. Mit jedem Gemeindeglied weniger bekommen wir weniger Finanzzuweisung und am Ende werden auch die Pfarrstellen reduziert. Ende 2023 wird Erlensee noch 2 statt 2,5 Pfarrstellen haben. Ab dem kommenden Jahr 2022 wird es beispielsweise keine Förderung mehr für die Unterhaltung oder die Sanierungen von Gemeindehäusern in unserer Landeskirche geben.
Dann wollen wir hoffen, dass Ihre Worte gerade auch bei denen, die über einen Kirchenaustritt nachdenken, auf fruchtbaren Boden fallen. Ein wichtiges Highlight in diesem Jahr war ja auch Ihre Hochzeit, so dass Sie nun nicht mehr nur richtig heimisch geworden sind, sondern auch bewiesen haben, zu bleiben: Als Pfarrerin Claudia Gillhoff gekommen, um als Pfarrerin Claudia Herchenröther zu bleiben.
(Die Fragen stellte Markus Sommerfeld)
Auf dem Foto: Pfarrerin Claudia Herchenröther vor dem Ostergottesdienst 2021
Foto: Benjamin Thoran