(pm/ea) – Mit einer Vielzahl von Aktivitäten wird die Hanauer Stadtgesellschaft den Opfern des rassistischen Attentats vom 19. Februar am Jahrestag gedenken.
„Hanau ist eine weltoffene Stadt. Dass die Bürgerinnen und Bürger, Vereine, Firmen, Schulen, Kirchen und viele weitere den Gedenktag nutzen, um sichtbar ihrer Anteilnahme und Solidarität Ausdruck zu verleihen, macht mich stolz“, so Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky. Für diesen Tag, der auch dauerhaft ein Tag des Gedenkens bleiben soll, hat er zudem stadtweit Trauerbeflaggung für die städtischen Gebäude angeordnet. Neben der zentralen Gedenkfeier am frühen Abend des 19. Februar, die live aus dem „Congress Park Hanau“ im TV-Programm des Hessenfernsehens und als Live-Stream über die städtische Internetseite www.hanau-steht-zusammen.de übertragen wird, wurden in den vergangenen Wochen viele weitere Aktionen zum Gedenktag geplant. Da wegen der Corona-Pandemie auch weiterhin Kontaktbeschränkungen bestehen, werden die meisten digital stattfinden.
So eröffnet die Stadt Hanau mit der Internetseite www.hanau-steht-zusammen.de ein „Digitales Denkmal“. Ab dem Jahrestag werden auf der Seite die Nachrufe der Opfer vom 19. Februar 2020 zu lesen sein, Familienangehörige, Oberbürgermeister Kaminsky und viele weitere Hanauerinnen und Hanauer werden in Videos zu Wort kommen. Dort wächst auch eine Chronologie seit dem Tag des Attentats und es gibt Informationen zum „Zentrum für Demokratie und Vielfalt“, ein Kondolenzbuch und weitere Texte.
Die Hanauer Kirchen und Religionsgemeinschaften zeigen ihre Solidarität und Anteilnahme auf vielfache Weise. So wird als akustisches Signal das Glockengeläut am 19. Februar um 19.02 Uhr zu hören sein, an dem sich die Kirchen in Hanau und umliegenden Städte und Gemeinden beteiligen. Zeitgleich endet die Gedenkfeier im „Congress Park Hanau“, die aufgrund der Corona-Pandemie im kleinen Rahmen stattfinden wird.
Auch die geplanten Aktivitäten der Religionsgemeinschaften müssen der Corona-Pandemie Tribut zollen. Der Islamische Verein bietet verschiedene Internet-Übertragungen in der Woche vom 15. bis 19. Februar und überträgt am 19. Februar ab 11.30 Uhr den speziellen Gebetsaufruf „Sela“ vor dem Freitagsgebet als Stream ins Internet sowie ab 12.45 Uhr das Freitagsgebet mit einer Videobotschaft zum Gedenken an die Opfer. Die Bahá’í-Gemeinde sowie die DIDF-Jugend Hanau planen kleinere, Corona-konforme Gedenkmärsche durch Hanau. In der Marienkirche in der Altstadt von Hanau wird es stündlich zwischen 12 und 20 Uhr (ausgenommen die Zeit während des gemeinsamen Geläuts in der Stadt um 19.02 Uhr) Kurzandachten mit musikalischer Untermalung Hanauer Musikerinnen und Musiker geben. Am Sonntag (21. Februar, 10.30 Uhr) findet ein analoger oder digitaler Gottesdienst mit Dr. Beate Hofmann, Bischöfin der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck, in der Marienkirche statt. Am Gedenktag laden die acht Gemeinden der Evangelischen Allianz Hanau um 19 Uhr zu einem gemeinsamen Gebetsabend ein, der per Stream übertragen wird.
Ein starkes Signal ist auch das gemeinsame Video, welches aus dem „Runden Tisch der Religionen“ heraus entstanden ist. Hier sprechen zehn der beteiligten Gemeinschaften den Angehörigen der Opfer ihr Mitgefühl aus und rufen zu Achtung und Respekt auf. Stadtverordnetenvorsteherin Beate Funck und Oberbürgermeister Claus Kaminsky führen ein: „Wir können nicht vergessen, wir wollen nicht vergessen.“ Dann sind diejenigen zu sehen, die sich in ihren Gemeinden engagieren und Verantwortung tragen. In oder vor Gotteshäusern und an einem der Anschlagsorte. Sie tragen Sätze aus einem Text vor, den sie gemeinsam erarbeitet haben. Es ist eine starke Botschaft, die zeigt, wie wichtig ein gemeinsames, friedliches Miteinander ist, so unterschiedlich die Menschen oder ihre Glaubensrichtungen auch sein mögen.
Der „Runde Tisch der Religionen“ ist eine freiwillige Zusammenkunft der Religionsgemeinschaften in der Brüder-Grimm-Stadt mit dem Ziel, den Dialog und die Kommunikation zwischen den Religionen zu fördern und zu intensivieren. Das Video entstand in Eigenregie einer Arbeitsgruppe des „Runden Tisches der Religionen“. Zu sehen sein wird das Video unter anderem ab 19. Februar auf der Seite hanau-steht-zusammen.de und den Kanälen der beteiligten Gemeinschaften.
Den Gedenktag nehmen auch Hanauer Sportvereine zum Anlass, ihre Wertevorstellung und Haltung gegen Ausgrenzung, Hass und Intoleranz deutlich zum Ausdruck zu bringen. Gemeinsam entwickelten sie das Motto „SPORT VEREIN(T) HANAU“, das in den Hanauer Sportstätten, auf Brückenbannern und T-Shirts zu sehen sein wird. Im Sport zählten einzig der sportliche Wettstreit und nicht die Religion, Hautfarbe oder Herkunft, so die Initiatoren, dafür engagierten sich täglich Trainer und Übungsleiter in den Vereinen und vermittelten vor allem auch jungen Menschen die Grundlagen für ein faires, gleichberechtigtes Miteinander. Neben der Turngemeinde 1837 Hanau a.V. sind bisher der Turnverein Kesselstadt 1860 e.V., Turnverein 1888 e.V. Mittelbuchen, Turn- und Sportverein 1860 Hanau e.V., White Wings Hanau, HSG Hanau, 1. Hanauer Fußball-Club 1893, Hanauer Roll- und Eissportclub 1924, Box-GYM Kesselstadt e.V., Turnerschaft 1860 e.V. Großauheim und der 1. Hanauer Tennis- und Hockey-Club e.V. beteiligt.
Koordiniert durch die Hanauer Wirtschaftsförderung haben sich heimische Unternehmen zusammengeschlossen, um mit einer ganzseitigen Anzeige und mit Plakaten an den jeweiligen Firmensitzen ihre Haltung deutlich zu machen. Hanau sei, so die Initiatoren, die Stadt der vielen Gesichter: Dass fast 100.000 Menschen aus mehr als 150 Ländern hier leben, sei gut, denn „wir sind Hanauer Unternehmen, in denen Vielfalt eine Bereicherung für jeden Einzelnen ist“. Ursprünglich hatten die Unternehmen geplant, Dialog- und Diskussionsformate zu ermöglichen, diese wegen der Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie aber verschoben. Dass der Wirtschaftsstandort Hanau und die hier ansässigen Unternehmen für Tradition, Innovation, weltweite Vernetzung und Werte stehen und sie die klare Haltung für Vielfalt und Toleranz und gegen Rassismus und Gewalt eint, zeigen sie nunmehr mit den öffentlichkeitswirksamen Anzeigen und Plakaten.
Für das Corona-konforme Gedenken haben die städtischen Kindertagesstätten mehrere Gedenk-Formate und -Symbole gefunden. Mit Solidaritätsplakaten an den Eingangstüren und Zäunen, die dem Motto „Hanau steht zusammen“ folgen sowie Gedenklichtern an mehreren Orten, drücken sie ihre klare Positionierung aus. Die Thematik wird in den Kindertagesstätten nicht offensiv in den pädagogischen Alltag der jüngeren Kinder eingebracht. Sollten einzelne Kinder Fragen haben, werden diese kindgerecht beantwortet. Vor den Kitas im Stadtteil Kesselstadt wird jeweils ein LED-Licht aufgestellt, die Zäune werden mit einer gebastelten Symbolkette geschmückt.
Am und rund um den 19. Februar planen auch Hanauer Schulen vielfältige Aktionen. An den Kaufmännischen Schulen wird es eine Ausstellung mit Mitmach-Plakaten und Umfragen zum Thema Rassismus geben, ein Leih-Angebot mit Filmen zu dem Thema, die „man gesehen haben muss“ sowie eine gemeinsame Schweigeminute. Diese gibt es auch an der Hohen Landesschule, weiterhin ist ein offener Austausch im Unterricht geplant und Schülerinnen und Schüler gestalten eine „Wand der Solidarität“, die auch auf der Hola-Homepage zu sehen sein wird. Schülerinnen und Schüler der Karl-Rehbein-Schule fertigen unter anderem unter dem Motto „Zeichen setzen gegen Rassismus und Gewalt“ Plakate, zeigen den Kurzfilm „SchwarzWeiß“ und planen einen Poetry-Slam-Workshop. An der Ludwig-Geissler-Schule können die Schülerinnen und Schüler unter anderem an einer Online-Umfrage zu erlebtem Alltagsrassismus teilnehmen und einen Gedenkraum gestalten. In der Otto-Hahn-Schule wird ein Film, der von Schülerinnen und Schülern gefertigt wurde, vorgeführt und gibt Anlass für Unterrichtsgespräche.
Am 19. Februar sind in Hanau mehrere Kranzniederlegungen an den beiden Tatorten, am Heumarkt und am Kurt-Schumacher-Platz, zum Gedenken an die Opfer des rassistischen Anschlags geplant, unter anderem möchten Vertreter der Gewerkschaften Ver.di, DGB und IG Metall so ihre Anteilnahme zum Ausdruck bringen. Zudem wird am DGB-Gebäude am Freiheitsplatz ein Schild der „Respekt!“-Initiative enthüllt. Seitens Bund, Land und Stadt werden ebenfalls Gebinde an den Tatorten niedergelegt.
Außerdem planen das Weststadtbüro, das Jugendzentrum Helmholtzstraße und die Initiative 19. Februar einen „Korridor des Gedenkens“ zwischen dem Kurt-Schumacher-Platz und dem Jugendzentrum Helmholtzstraße sowie eine Gedenkaktion am Heumarkt.
Auch die Hanauer Kultur beteiligt sich: So wird es einen musikalischen Friedensgruß von Schülerinnen und Schülern der Paul Hindemith-Musikschule per Video geben und das Ensemblemitglied der Brüder Grimm Festspiele, Dieter Gring, liest einen Text von Friedrich Hölderlin zum Thema Toleranz, der auf Facebook, Instagram und der Internetseite der Festspiele ab dem 19. Februar zu sehen sein wird. Am 20. Februar um 15 Uhr wird es aus dem Kulturforum Hanau im Rahmen von „Wir sind hier – Festival für kulturelle Diversität“ einen Livestream des Frankfurter Literaturhauses zum Thema „Schreiben im Hier – Hanau“ geben. Deniz Utlu und Hengameh Yaghoobifarah sprechen unter Moderation von Miryam Schellbach vom Leben in Deutschland, von kulturellen Zuschreibungen, Ausgrenzung und Alltag und entwickeln kritische und individuelle Haltungen. Der Hanauer Kulturverein zeigt an der Remisengalerie am Schloss Philippsruhe ein Banner mit der Botschaft „Gemeinsam für Respekt, Toleranz, Vielfalt“ und seine Ausstellung „Herkunft: Erde!“ auf der Internetseite hanauer-kulturverein.de. Die Stadtbibliothek im Kulturforum am Freiheitsplatz stellt Bücher zum Thema in einer „Demokratiebibliothek“ zusammen und das Historische Museum Hanau arbeitet an einer Plattform zum Thema „Kollaboratives Sammeln von Erinnerungen“ mit Beiträgen zum 19. Februar. Die Internationalen Wochen gegen Rassismus Hanau schließen sich bis 26. März 2021 an, sie beginnen bereits am 20. Februar mit einem musikalischen Grußwort des preisgekrönten Pianistin Igor Levit, der in diesem Jahr auch Botschafter der Internationalen Wochen gegen Rassismus ist.
An vielen Orten außerhalb Hanaus wird ebenfalls der Opfer des rassistischen Anschlags vom 19. Februar gedacht. In Dietzenbach organisieren der Ausländerbeirat und die Organisatoren von „Demokratie leben“ einen Trauermarsch durch die Altstadt. Sedat Gürbüz, eines der Opfer vom 19. Februar, kam aus Dietzenbach. In Maintal, Opfer Fatih Saraçoğlu kam daher, gibt es verschiedene Gedenkaktionen. In Maintal-Dörnigheim wird der Käthe-Jonas-Platz zentraler Ort, um mit Blumen und Kerzen an die Opfer zu erinnern. In der Alten Kirche am Main findet ab 18 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst statt, die Kirchengemeinden beteiligen sich ebenfalls am Gedenkgeläut um 19.02 Uhr. Im Rathaus leuchtet eine Kerze für die Opfer und auf der städtischen Internetseite wird ein Plakat zum Download angeboten, das Bürgerinnen und Bürger gut sichtbar zuhause anbringen können, um ein gemeinsames Zeichen zu setzen.
„Der 19. Februar ist der dunkelste Tag in der Geschichte für Hanau in Friedenszeiten. Wir werden den Tag und diese Gräueltaten niemals vergessen. Der 19. Februar wird uns für immer auch in besonderer Weise daran erinnern, dass die Hanauerinnen und Hanauer, dass Hanau zusammen für ein friedliches Miteinander steht“, so Oberbürgermeister Claus Kaminsky: „Der 19. Februar wird auch in Zukunft Hanauer Gedenktag sein.“