(mb/ea) – Erneut sorgten in der Stadtverordnetenversammlung am Donnerstagabend die aktuellsten und wichtigsten Themen der Stadt für viel Diskussionsbedarf und zahlreiche Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern. Ganz oben stand die grundlegende Neuplanung und Mittelveranschlagung für die Kindertagesstätte Fröbelstraße. Das Projekt hatte durch notwendige Umplanungen auf Grund falscher Baupläne und dem Zustand der Bausubstanz zuletzt für Schlagzeilen gesorgt.
Nach der Abwägung sämtlicher Varianten schien schlussendlich nur die Möglichkeit des vollständigen Rückbaus und Neuaufbaus wirklich sinnvoll. So sollen die Bauteile Fröbelstraße 5, 7 und 9 rückgebaut und ein Familienzentrum entstehen, das 5 Kindergartengruppen und das Jugendzentrum beherbergt. Zu Mehrkosten von 2,5 Mio. Euro statt den ursprünglich veranschlagten 2,2 Mio. Euro. Damit kostet das Projekt in Summe rund 7 Mio. Euro, für das der Vorsitzende der SPD Fraktion Dr. Martin Maul noch einmal warb.
„Wir stimmen für die vom Bau- und Umweltausschuss favorisierte Variante 3, das heißt für einen Komplett-Abriss und Neubau der Gebäude in der Fröbelstraße, weil wir in dieser Variante am
wenigsten mit weiteren kostspieligen Überraschungen rechnen müssen. Ein großes Problem ist, das wir jetzt ein paar Mal erlebt haben, dass vorliegende Bestandspläne nicht mit der Realität übereinstimmen und auch das ältere Gebäude häufig hinsichtlich vieler Bestimmungen, vor allem hinsichtlich des Brandschutzes, nicht wie vorgesehen genutzt werden kann. Die Variante 3 ermöglicht ein Höchstmaß an Synergieeffekten und flexibler Nutzung sowohl für die Kita als auch für die TKJE“, sagte Maul.
Mit 18 Ja, 2 Nein und 1 Stimme Enthaltung einigten sich die Stadtverordneten zwar darauf, den Bau auf den Weg zu bringen, doch einige drückten zuvor aus, dass sie alles andere als zufrieden seien mit der Entwicklung des Projekts, so auch Horst Pabst Fraktionsvorsitzender der CDU: „…ich persönlich bin der Meinung, uns bleibt nichts anderes übrig, deshalb werde ich dafür stimmen, aber es ist garantiert möglich, dass der ein oder andere von uns dagegen stimmt“, sagte Pabst.
Auch die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Tonecker-Bös, signalisierte die Zustimmung ihrer Partei, betonte aber, mit welchen Bauchschmerzen man dem Projekt zustimme und stellte klar, dass in den Folgejahren eine Menge finanzieller Belastung in Bezug auf die Tilgung auf die Stadt zukommen könnte.
Bürgermeister Stefan Erb sah sich angesichts der großen Zweifel gezwungen, einige Dinge noch einmal klarzustellen. Ein Turnraum, die Kompletterneuerung des TKJE, eine zusätzliche Gruppe, Parkplätze, sowie eine Photovoltaikanlage und die allgemeine Preissteigerung hätten letztendlich zur Summe von 7 Mio. Euro geführt. Dazwischen liege sehr viel und auch ganz viele Wünsche der Stadtverordneten, erklärte Erb. Erb gab auch zu, dass das Grundstück zwar sehr teuer war, da man die vorhandenen Gebäude nicht mehr nutzen kann, verwies aber auch auf den Wert des gewachsenen Standortes und bezweifelte, ob man mit zwei getrennten Neubauten für Kita und TKJE an unterschiedlichen Standorten günstiger gefahren wäre.
Ganz so einfach sahen das die Stadtverordneten jedoch nicht. So erklärte Carmen Merz, Fraktionsvorsitzende der NFE Fraktion: „Wir sind keine Fachleute. Wie das Grundstück gekauft worden ist und wir zugestimmt haben denke ich mal, dass die Stadtverordneten davon ausgegangen sind, dass das alles geprüft worden ist und dass man ein Grundstück und ein Gebäude kauft, das man dann umbauen kann.“ Allerdings stimme man den 7 Mio. für einen Neubau notgedrungen zu, wenn auch mit Bauschmerzen, sagte Merz.
Auch Renate Tonecker-Bös stellte klar, dass die nachhaltige Energieversorgung durch eine Photovoltaikanlage kein Wunsch aus der Stadtverordnetenversammlung war, sondern Vorgabe der Hessischen Landesregierung ist.
Deutlich schneller wurde hingegen über den erneuten Antrag der SPD entschieden, den Magistrat mit der Prüfung zu beauftragen, ob ein externer Dienstleister die 8-zügige Kita in der Leipziger Straße zur gleichen Qualität wie die Stadt Erlensee betreiben könne. Ein erster Antrag hatte bereits in einer Sitzung im Februar für viel Diskussion und eine Sitzungsunterbrechung gesorgt, worauf hin die SPD den Antrag vorerst zurück zog, jedoch ankündigte, ihn erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Mit 10 Nein, 9 Ja und 2 Stimmen Enthaltung wurde der Beschlussvorschlag nun abgelehnt. Dennoch wurden von den Stadtverordneten auch Bedenken geäußert, die Kinder zum Experimentierfeld zu machen.
Ebenso schnell durchgewunken hätte die CDU auch gerne die neue Stellplatzsatzung. Diese wurde der Mustersatzung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes angepasst und um den Wunsch aus der Stadtverordnetenversammlung, zwei Stellplätze je Wohneinheit festzuschreiben, ergänzt. Grüne wie SPD sahen hier jedoch hinsichtlich einiger Punkte wie Fahrradstellplätze und E-Ladestationen noch Klärungsbedarf. Um das Thema sorgfältig behandeln zu können, wurde die Thematik mit 12 Ja, 6 Nein und 3 Stimmen Enthaltung erneut in den Bau- und Umweltausschuss verwiesen.
Dieser wird sich in nächster Zeit auch mit dem sanierungsbedürftigen Rathaus beschäftigen müssen. Hier lautete der Antrag der CDU-Fraktion, den Magistrat zu beauftragen, sämtliche Varianten von Umbau und Modernisierung bis zum Neubau und eventuell auch einem neuen Standort zu prüfen. Um hier erst einmal Klarheit zu erlangen, was man sich genau vorstelle, wurde das Thema in den Haupt- und Finanzausschuss, sowie den Bau- und Umweltausschuss verwiesen. „Wir als Stadtverordnete müssen uns erstmal darüber im Klaren werden, was wir wollen, bevor wir eine klare Beauftragung ausgeben“, sagte die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Tonecker-Bös.
Neben den aktuell wichtigsten Themen begegneten den Stadtverordneten jedoch auch altbekannte wie der Gleisanschluss auf dem Fliegerhorst. Dabei war der Antrag der SPD-Fraktion, den Magistrat in Abstimmung mit dem Main-Kinzig-Kreis und der KVG zu beauftragen, über die Reaktivierungsprogramme des Bundes und Landes die Schienenstrecke Hanau-Erlensee zu sichern. Dabei soll der Main-Kinzig-Kreis das Streckennetz für die zukünftigen Nahverkehrspläne anmelden. Zudem soll der Magistrat ermächtigt werden, sich bei möglichen Untersuchungen anteilsmäßig zu beteiligen. „Es wäre gerade jetzt wichtig, diese Schritte zu unternehmen, denn der öffentliche Personennahverkehr wird in Zukunft vor dem Hintergrund der Energiewende und der geforderten Klimaneutralität eine immer stärker werdende Rolle spielen. Wir müssen die Grundlagen für eine Entwicklung legen, von der einmal voraussichtlich erst die nächste Generation wird profitieren können. Es wäre aber ein ganz wichtiger Baustein für uns und für Erlensee, um die weitere Entwicklung unserer Stadt vorantreiben zu können“, sagte Dr. Martin Maul, Vorsitzender der SPD Fraktion.
Für die CDU ein ganz klarer Schaufensterantrag in Hinblick auf den nahenden Kommunalwahlkampf ohne Ernsthaftigkeit, zumal man das Thema im Zweckverband schon vielfach mit Experten besprochen hatte und zum Ergebnis gekommen war, dass ein Gleisanschluss nach Einwohnerzahl und zu erwartender Auslastung nicht lohnenswert ist.
Dies ließ Bürgermeister Stefan Erb nicht auf sich sitzen und konterte die scharfen Worte des CDU Fraktionsvorsitzenden Horst Pabst. „Also alle Anträge, die in eine politische Richtung gehen oder die strategisch sich ausrichten, mit dem Wahlkampf zu assoziieren, halte ich für falsch. Sie stellen auch oft genug Anträge, die ich als Schaufensteranträge bezeichne“, entgegnete Erb und erklärte, dass man den Schienenanschluss seit Beginn der Machbarkeitsstudie immer im Blick hatte. Zwar sei man 2013 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine wirtschaftliche Nutzung zu damaliger Zeit nicht möglich gewesen sei, wenn man jedoch weiter denke, können sich diese Zahlen in der Zukunft auch verändern, sagte Erb.
Rückendeckung gab es auch von den Grünen. „Natürlich befürworten wir alles, was starke Schiene heißt, das ist überhaupt keine Frage und ob es jetzt ein Schaufensterantrag ist oder nicht ist mir an dieser Stelle ehrlich gesagt egal. Ich finde es auch gut, dass wir jetzt darüber reden“, sagte die Fraktionsvorsitzende Renate Tonecker-Bös.
Einstimmig wurde das Thema anschließend in den Haupt- und Finanzausschuss, sowie den Bau- und Umweltausschuss verwiesen.
Neben den zahlreichen Meinungsverschiedenheiten gab es am Donnerstag jedoch auch Punkte, in denen man sich völlig einig war. Einstimmig entschied man sich für eine Beibehaltung des Ausländerbeirats und gegen eine Integrations-Kommission. „Auch wir werden diesen Antrag ablehnen, weil auch wir sehr dankbar sind, diesen Ausländerbeirat als Institution hier in Erlensee zu haben. Wir haben natürlich eine ganz große Bitte an dich, Ali“ – wandte sich die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90 Die Grünen Renate Tonecker-Bös an den Vorsitzenden des Ausländerbeirats Ali El Fadghan – „dass du dich insbesondere darum bemühen wirst, Frauen in den Ausländerbeirat zu bringen und tatsächlich auch für die Pluralität zu sorgen, die wir uns vielleicht von einer Integrations-Kommission versprochen hätten. Von daher gibt es einen Auftrag an dich, denn der Ausländerbeirat ist nur so gut wie seine Mitglieder sind. Und im Moment seid ihr da nach unserem Empfinden wirklich ein bisschen schwach und vielleicht auch ein bisschen Ali-dominiert“, sagte Tonecker-Bös mit einem Augenzwinkern Richtung El-Fadghan.
Der begrüßte die Entscheidung mit ausgestreckten Daumen und teilte Erlensee Aktuell später schriftlich mit: „Unsere vielfältigen Bemühungen zum Erhalt des demokratisch legitimierten Ausländerbeirats haben Früchte getragen. Wir begrüßen die Entscheidung der Stadtverordneten. Der Ausländerbeirat wird nicht durch eine Integrationskommision ersetzt. Das ist ein deutliches Zeichen für die politische Teilhabe in unserer Stadt! Nunmehr werden wir mit den Vorbereitungen der zeitgleich mit der Kommunalwahl am 14. März 2021 stattfindenden Ausländerbeiratswahl beginnen. Ich hoffe und wünsche mir, dass sich der Anteil weiblicher Kandidatinnen deutlich erhöhen lässt. Der zukünftige Ausländerbeirat sollte sich als politische Interessensvertretung aller in Erlensee lebenden Migrantinnen und Migranten verstehen“, so Ali El-Fadghan.
Auf dem Foto: Das ehemalige Gemeindehaus in der Fröbelstraße, wo die Gebäude 5, 7 und 9 abgerissen werden sollen
Bericht: Mike Bender, Foto: Markus Sommerfeld