(pm/ea) – Bäume gefällt und von deren Stämmen Rinde abgenagt – einige solcher Beispiele sind seit November 2019 in und an der Kinzig in der Nähe der Eisenbahnbrücke am Umweltzentrum zu sehen. Der Verursacher: ein Biber.
Bauten von Artgenossen des Kinzig-Bibers entdeckten Fachleute der städtischen Naturschutzbehörde seit 2015 schon im Hellenbach-Naturschutzgebiet, am Fall- und am Krebsbach. „Das vor 25 Jahren begonnene Aussiedlungsprojekt im oberen Sinntal hat sich mit der Wanderungsbewegung der Biber längst bis Hanau ausdehnt“, sagt Dieter Zuth, Leiter der Behörde.
Er freue sich darüber über, dass mit dem Biber ein Stück schon fast ausgerottete Natur zurückkehre. Der Mensch müsse ein Stück weit zulassen, dass nicht er allein die Natur forme. Freilich gehe es in verdichteten Räumen wie an der Kinzig in Hanau auch darum, dass teils ein „Arrangement“ zu treffen sei. So sollen die Pächter der Wiesen in der Flussaue bis zum Frühjahr dulden, dass vom Biber gefällte Weichholzstämme im Grün liegen bleiben, um dem streng geschützten Tier Nahrung zu bieten. Umgekehrt will die Naturschutzbehörde mit Maschendraht oder Schutzanstrich an wertvollen Bäumen Biberverbiss vermeiden. Denn an Hartholz wie Eiche oder Buche wetzt das hierzulande größte Nagetier gerne seine ständig nachwachsenden Zähne, um diese scharf zu halten.
Inmitten des Hellenbachs hat der dortige Biber einen Damm gebaut. Damit will er den Eingang zu seiner Burg ständig unter Wasser halten. Fällt der Wohnbau trocken, wird er verlassen, da dann Feinde erleichterten Zugang haben. Der Damm trägt dazu bei, einen Wasserstand über dem Eingang zum Wohnbau von möglichst 60 Zentimeter und einen sichernden Wasserbereich um die Burg herum zu gewährleisten.
Mehrere Meter breit und mehr als 50 Zentimeter hoch können die Bachdämme durchaus werden, erläutert Dr. Elisabeth Görge von der städtischen Naturschutzbehörde. Ähnliches ist in der Kinzig nicht notwendig, da hier der Wasserstand ausreichend ist.
Was der Nager nun in der Nähe des Umweltzentrums am Fluss weiter unternehme, das bleibe abzuwarten. Auf jeden Fall nehme die Stadt Hanau Kontakt mit dem Biberbeauftragten des Regierungspräsidiums Darmstadt auf, so Zuth. „In einer Nacht kann der tagsüber nicht sichtbare Biber einen Weichholz-Baum mit 30 bis 40 Zentimetern Stammumgang fällen“, erläutert Görge mit Blick auf einen Stumpf am Kinzigufer. Sie stellt auch heraus, dass abgestorbenes Holz für den Biber keine Nahrungsquelle darstellt. Die Bäume am Ufer fällt er im Winter, damit er neben Baumaterialien auch Nahrung in Form von Rinde und Trieben findet. Während der Vegetationszeit ernährt er sich von Kräutern und Gräsern.
Die Naturschutzbehörde plant im Frühjahr eine Informationsveranstaltung, um das Leben und Wirken des Bibers genauer zu erläutern. Wie Görge es ausdrückt: „Wir müssen auch in der Stadt ein Stück Wildnis zulassen.“ Was natürlich an der Kinzig mit vielen Erholung Suchenden etwas schwieriger als im eher abgeschirmten Naturschutzgebiet am Hellenbach sei.
Zuth kann sich ein Biber-Bildungsprogramm im Umweltzentrum vorstellen. Auch damit soll das Bewusstsein zunehmen, dass nicht nur der Biber streng geschützt ist, sondern auch dessen Dämme und Bauten als von ihm selbst geformter Lebensraum.
Der Main-Kinzig-Kreis ist laut Regierungspräsidium derjenige in Hessen, wo der Biber mit mehr als 250 am stärksten verbreitet ist. Zum Vergleich: In Unterfranken sind es schon rund 1700. Der Bund Naturschutz schätzt, dass es nach der Fast-Ausrottung im 19. und 20. Jahrhundert dank Schutzschritten und Wiederansiedlungsprojekten heute etwa 500.000 bis 700.000 Biber in Europa gibt.
Auf dem Foto: Ein Hinweisschild in der Kinzigaue weist auf das Wirken des Bibers hin. Davon überzeugten sich Dr. Elisabeth Görge, Dieter Zuth und Matthias Müller von der Unteren Naturschutzbehörde (von links)
Foto: Stadt Hanau