(pm/ea) – Stille. Schweigen. Genau vier Minuten und 33 Sekunden lang. Die Solistin am Flügel rührt keinen Finger und verzieht keine Miene.
Das Werk „4.33“ stammt von John Cage und wurde 1952 in Woodstock uraufgeführt. An Weihnachten 2010 wurde das Stück in die Charts gehievt. Cage, der der Meinung war, dass es unmöglich sei, Stille zu erzeugen und Stille immer klangträchtig ist, zählte zu einem der größten Inspiratoren für die Komponisten des 20. Jahrhunderts. Unter dem Motto „Hast du (noch) Töne“ wurde nun Musik aus dieser Zeit im jüngst stattgefundenen Konzert der Paul-Hindemith-Musikschule Hanau (PHM) dargeboten.
Provokant, unerhört, überraschend: Die Kompositionen des 20. Jahrhunderts versteifen sich beileibe nicht nur auf die Zwölfton-Musik ihres Erfinders Arnold Schönberg. Vielmehr hat die Musik auf ihrer Suche nach neuen Formen und Ausdrucksmöglichkeiten eine Vielzahl völlig neuer, sehr differenter Strömungen hervorgebracht. Das Konzert der PHM lieferte einen kleinen, aber sehr feinen Einblick in diese Zeit des musikalischen Umbruchs, angefangen mit den Werken der französischen „Groupe de Six“ über Alban Bergs „Sieben frühe Lieder“, weiter Paul Hindemiths „Abendkonzert“ bis hin zur Schmeichelmusik eines Ludovico Einaudi.
Eine besondere Brücke schlug der Hanauer PHM-Dozent Philipp Mellies an der Querflöte, der ein Solo-Werk des zuvor frischgekürten Hindemith-Preisträgers der Stadt Hanau, Olli Mustonen, mit großer Hingabe und Brillanz zum Besten gab. Schwerstarbeit an der Querflöte leistete auch die fortgeschrittene Schülerin Emma Heinrich, die sich zusammen mit ihrem Lehrer Waldemar Jarczyk mit Einfühlungsvermögen der „Groupe de Six“ und Paul Hindemith näherte. Gewürzt mit vielen kleineren Beiträgen wussten auch die jüngeren Schülerinnen und Schüler zu überzeugen, etwa Mia Specht, die zusammen mit ihrer Lehrerin Sophie Gruzman-Jarczyk mit dem Stück „Es klingen die Glocken“ nahezu sehr plastisch ein ganzes Dom-Geläut in das Treppenhaus der Pestalozzischule zauberte.
Sophie Gruzman-Jarczyk ist es auch, die dann die Geduld des Publikums auf eine harte Probe stellt und mit John Cages „4.33“ vier Minuten 33 Sekunden lang am Klavier sitzt, ohne nur einen einzigen Ton zu produzieren. Das Publikum trägt es – fast – mit Fassung.
Versöhnlichere Töne schlägt das Gitarrenduo „Appassionato“ mit Christine und Christian Gutgesell mit einem Tango von Pujol und geschmeidigen Gitarrenduos die Ohren der Zuhörer verwöhnen. Zuvor gab es noch einen sehr quirligen „Katzen“-Tango der unbekannten Komponistin Beatrix Becker zu hören, interpretiert von Kathrin Saravia am Flügel und Christine Lohrmann am Cello. Den Schlusspunkt setzte das Gitarren-Flöten-Ensemble „Cantate“ mit einer sehr kurzweiligen „Suite“ aus der Feder von John William Duarte. „Hast du (noch) Töne“ – die Frage muss nach diesem Konzert eindeutig mit „Ja“ beantwortet werden. Denn selbst der Stille wuchsen sogar noch Ohren. Wo gibt es das schon.
Foto: PHM
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