(pm/ea) – „Die Mitglieder des Kirchenvorstandes leiten in gemeinsamer Verantwortung mit den Pfarrern die Gemeinde.“ So legt es die Grundordnung der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck fest. Am Beispiel der Bruchköbeler Kirchengemeinde erläuterten Ehrenamtliche und Pfarrer bei einem Info-Abend gemeinsam, was dies konkret bedeutet.
Der aktuelle Anlass dafür: Am 22. September sind alle evangelischen Gemeindeglieder ab 14 Jahren aufgerufen, den Kirchenvorstand (KV) in ihrer Gemeinde zu wählen. Bis Ende Juni ist eine Kandidatur noch möglich. Pfarrer Martin Abraham erläuterte in seiner Begrüßungsrede, man wolle sich vorstellen, Fragen beantworten und im Team über Aufgaben, Ressourcen und Herausforderungen berichten.
Gemeinsam mit seinem Kollegen Jürgen Mankel und den Kirchenvorsteherinnen Sabine Broßmann und Eva Adelmann nahm er zur Talkrunde auf dem Sofa Platz. Die beiden Seelsorger provozierten dabei mit direkten Fragen offene und unverstellte Antworten und gaben so die Steilvorlage für die anschließende Gesprächsrunde. „Sie treffen sich einmal im Monat. Was machen Sie da eigentlich ganz konkret?“, lautete eine Frage. In den Vorstandssitzungen gehe es vor allem um praktische Dinge und Organisatorisches, um Gebäudeerhalt, Kita-Mitarbeiter oder um die Vorbereitung von Projekten. Dabei gelte es aber zugleich, inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. So werde in Bruchköbel beispielsweise in Kürze eine Pfarrstelle neu besetzt. Die Ausschreibung, die Vorstellungsgespräche und auch die Gottesdienste lägen in der Verantwortung des KV. Dieser müsse die Entwicklung der Kirchengemeinde im Blick haben, wenn er die Entscheidung für einen Pfarrer treffe.
„Vor jeder Sitzung erhalten wir eine Einladung mit Tagesordnung und den Beschussvorlagen, so dass alle KV-Mitglieder gleichermaßen informiert sind. Zum Teil kommt aus den verschiedenen Ausschüssen viel auf einen zu“, berichtete Sabine Broßmann und ergänzte: „Das hält mich nicht davon ab, ein zweites Mal für den KV zu kandidieren.“ Als sich die alleinerziehende Mutter vor sechs Jahren zum ersten Mal beworben hatte, war sie noch etwas unsicher. „Weiß ich auch genug?“ fragte sie sich und erhielt die motivierende Antwort: „Alles was fehlt, wird kommen.“ In ihrem privatem Umfeld habe ihr Ehrenamt große Wellen geschlagen, sagte Broßmann, man habe das nicht von ihr gedacht. „Da sind doch nur verstaubte Leute“, hätte sie zu hören bekommen. Doch die Kirchenvorsteherin betont: „Wir sind eine große Kirchengemeinde und sehr vielfältig. Ich war von dieser Vielfalt fasziniert, das war eine gute Basis für verschiedene Tätigkeiten. Auch in meinem Glauben habe ich seither eine große Weiterentwicklung erfahren.“ Gemeinsam mit Eva Adelmann ist sie der Überzeugung: „Kirche bedeutet eine Weltanschauung, eine Haltung zu haben. Mir hilft der Glaube, trotz der Widrigkeiten das Alltags eine gute Arbeit zu machen.“
Neben den monatlichen Treffen des Kirchenvorstands treffen sich die Mitglieder in den Ausschüssen. In Bruchköbel sind dies die Bereiche Kita, Musik, Kinder und Jugend, Diakonie, Bauen, Öffentlichkeitsarbeit, Ökumene und Finanzen. Die Ausschüsse entscheiden begrenzt eigenverantwortlich und arbeiten dem Gesamt-KV zu. „Interesse und Offenheit für ein Thema sind sehr gute Voraussetzungen für die Tätigkeit in einem Ausschuss, nicht unbedingt das Fachwissen. Es ist eine bewusste Entscheidung des Herzens“, so die Kirchenvorsteherinnen.
Ein Blick in das Faltblatt „Gemeinde Leben“ macht deutlich, wie vielfältig und bunt sich das Engagement in der Kirchengemeinde darstellt: Musikbegeisterte finden eine Heimat im Posaunenchor oder beim Singkreis, für Kinder und Jugendliche bietet die Jakobusgemeinde Kinderkirche und -gottesdienst, das Jugendcafé und die „Elternfrei(e) Zeit“. Senioren dürfen sich über Besuch zum Geburtstag freuen. Zudem treffen sich verschiedene Hauskreise, der Frauen- und Literaturkreis und das FeierAbend-Team. Das sind Angebote ‚on top‘, von der Vorbereitung der Gottesdienste, Gremiensitzungen, Repräsentation der Kirchengemeinde in der Öffentlichkeit, der Arbeit in der Diakonie war noch gar nicht die Rede.
„Man muss es mit Herzblut machen, denn Inhalt und Umfang können neben dem Berufsleben durchaus zu Herausforderungen werden,“ bestätigten die KV-Mitglieder im Gespräch mit potenziellen Kandidaten. Die Motivation für dieses ehrenamtliche Tätigkeit sei der christliche Glaube; er helfe, auch im Alltag weiterzumachen und auf Menschen zuzugehen.
Die Gemeinden sind im evangelischen Leitungsverständnis rechtlich selbständige Einheiten, erläuterte Pfarrer Abraham zum Ende des Info-Abends. Sie entscheiden nicht nur über ihre Finanzen, sondern genießen große Freiheit, ihr Profil und die geistliche Leitung als Christen zu gestalten. „Im Hören auf Gott, im Gebet und im nüchternen gemeinsamen Abwägen schauen wir auf das, was ist, und gewinnen Perspektiven auf das, was sein wird. Semper reformanda – die Kirche ist immer wieder neu zu reformieren“, so Abraham. Dies gelte auch die für den neu zu wählenden Kirchenvorstand.
Fotos: PM