In einem Leserbrief kritisiert Silke Kemmerer, wie der aktuelle Diskurs geführt wird und wünscht die Rückkehr zu einer sachlichen Debatte ohne Verleumdungen und Polemik auf beiden Seiten.
Die geplante Fusion der Stadt Erlensee und der Gemeinde Neuberg beschäftigt und erhitzt derzeit viele Gemüter. Mir geht es dabei aber weniger um die Fusion an sich als um den darüber stattfindenden Diskurs.
In den letzten Wochen sind die Diskussionen und der Gesprächston oft eskaliert, vielfach auch durch Medien und Politik. So wurde z.B. im Hanauer Anzeiger berichtet, dass eine Fusions-Befürworterin nach ihrem Beitrag unsachlich beschimpft wurde. Dieses Verhalten ist natürlich untragbar und durch nichts zu entschuldigen. Wahr ist aber auch, dass andere Nachfragen von Bürgern zu Ausweisdokumenten und Straßennamen von Seiten der beiden Bürgermeister in teilweise herablassender Weise abgehandelt wurden und viele Bürger darüber unzufrieden waren.
Betroffen hat mich als Neuberger Bürger ein Kommentar im Hanauer Anzeiger mit dem Titel „Angst um die eigenen Pfründe“ gemacht. Dort ist die Rede von „Neubürgern und Pendlern ohne historischen und emotionalen Bezug zu ihrer neuen Heimat“. Ist emotionaler Bezug abhängig von der Dauer, die man in der Gemeinde lebt?
Wir leben seit fast 18 Jahren in Neuberg, unsere Tochter wurde hier geboren und mit ihr haben wir alle ortsansässigen Institutionen wie Spielkreis, Kindergarten, Sportverein, Kindergottesdienst und Grundschule durchlaufen und uns in den entsprechenden Gremien engagiert. Da würde ich durchaus von einem emotionalen Bezug sprechen. Wird der mir nun abgesprochen, nur weil ich eine andere Meinung als die vermeintlich richtige vertrete? Und bevor man blindlings auf Pendler einschlägt, sollte man bedenken, dass eben diese durch ihr Steueraufkommen auch zum Wohlstand Neubergs beitragen.
Grundsätzlich sind eine Einteilung in „gute“ und „schlechte“ Bürger und Verallgemeinerungen für eine sachliche Debatte nicht dienlich und fördern die Spaltung der Bevölkerung. Gerade die Bürgermeister beklagen Polemik und Unsachlichkeit in der Debatte, bedienen sich dieser beiden Stilmittel aber selbst des Öfteren.
So bezeichnet Herr Erb bei „Erlensee Aktuell“ die „sogenannte“ Bürgerinitiative als rückwärtsgewandt, aggressiv und ihre Vorgehensweise als zweifelhaft, Frau Schröder spricht von „Bangemacherei“.
Und ist es wirklich nötig, Herrn Weiß von der Bürgerinitiative von Seiten der Presse und der SPD zum personifizierten Sündenbock für das Scheitern der Fusionspläne zu machen und ihn medial entsprechend anzuprangern? Ist es für die Berichterstattung oder den Sachverhalt entscheidend, den Beruf und den Arbeitsort zu nennen wie in einem Artikel im Hanauer Anzeiger geschehen? Beides hat mit seiner Tätigkeit in der Bürgerinitiative nichts zu tun und ist in Zeiten von Daten- und Personenschutz durchaus fragwürdig.
Noch frappierender ist die Aussage der SPD-Vorsitzenden Erlensee, Birgit Reuhl, die bei „Erlensee Aktuell“ vermutete, Herr Weiß könne als Jurist so manche der zitierten Behauptungen nur bewusst falsch aufgestellt haben. Schon diese nicht beweisbare These, verbreitet auf einem Online-Portal, ist eine Verleumdung und üble Nachrede und kann Herrn Weiß sowohl privat als auch beruflich durchaus schaden.
Wie glaubwürdig ist ein Politiker, der öffentlich derartige Behauptungen aufstellt? Eine derartige These, bewiesen oder nicht, wird von vielem Bürger geglaubt. Beispiele für diese Mechanismen der Beeinflussung können wir gerade an vielen Stellen in der Welt beobachten. Und wie oft kam es in letzter Zeit vor, dass von Politikern beeinflusste Menschen sich legitimiert fühlten, gegen den vermeintlichen Feind vorzugehen, in welcher Weise auch immer.
Muss es soweit kommen, dass sich die Mitglieder und Unterstützer der Bürgerinitiative Sorgen machen müssen, wie ihnen Andersdenkende begegnen? Ich wünsche mir eine Rückkehr zu einer sachlichen Debatte ohne Verleumdungen und Polemik auf beiden Seiten.
Silke Kemmerer, Neuberg
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