Andreas Weiß aus Neuberg antwortet auf den Leserbrief des Landtagsabgeordneten Christoph Degen vom 11. Januar zur beabsichtigten Fusion von Neuberg und Erlensee.
Der Leserbrief von Christoph Degen offenbart eine – für einen ortsansässigen Landtagsabgeordneten verblüffende – Unkenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten und bedarf der folgenden Erwiderung:
Nach dem einstimmig, also mit den Stimmen der SPD, gefassten Beschluss der Gemeindevertretung Neuberg muss nach Kenntnisnahme der Machbarkeitsstudie eine Grundsatzentscheidung der Gemeindevertretung herbeigeführt werden. Diese kann für oder gegen eine Fusion ausfallen. Wenn eine Fusion favorisiert wird (und nur dann), muss zwingend ein Bürgerentscheid zur abschließenden Entscheidung erfolgen.
Es gibt keinen erkennbaren Grund, von dieser beschlossenen Vorgehensweise nunmehr abzuweichen.
Niemand will den Bürgerinnen und Bürgern das Recht absprechen, selbst über die Zukunft ihrer Gemeinde zu entschieden. Das entbindet die Gemeindevertreter aber nicht von ihrer Verantwortung, zunächst selbst eine Grundsatzentscheidung zu treffen. Man kann von den gewählten Gemeindevertretern schwerlich verlangen, gegen ihre Überzeugung für eine Fusion zu stimmen, nur damit die Bürgerinnen und Bürger in einem Bürgerentscheid ebenfalls darüber abstimmen können. Die Gemeindevertreter haben das Recht und die Pflicht, hier Farbe zu bekennen und sich nicht wegzuducken und hinter dem Bürger zu verstecken.
Im Übrigen haben die Bürgerinnen und Bürger jederzeit die Möglichkeit, auch unabhängig von der Gemeindevertretung über ein Bürgerbegehren einen Bürgerentscheid herbeizuführen. Die Behauptung, in Neuberg ginge es zunächst darum, zu entscheiden, ob die Bürger abstimmen dürfen, ist also falsch!
Die Entscheidung (sowohl der Gemeindevertreter als auch der Bürgerinnen und Bürger) für eine Fusion, die endgültig und unumkehrbar sein würde, bedarf in jedem Fall einer tragfähigen Grundlage. Daher wurden für die Machbarkeitsstudie detaillierte Vorgaben erstellt, etwa, dass das Subsidiaritätsprinzip (Fusion nur als „ultima ratio“) oder die unterschiedliche Größe und soziale Struktur der beteiligten Kommunen besonders zu würdigen sind. Die Erfahrungen anderer Kommunen, die sich für eine Fusion oder eben für einen Gemeindeverwaltungsverband entschieden haben, sollten berücksichtigt werden. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Vorteile sollte geprüft werden, ob diese auch durch andere Maßnahmen, etwa eine verstärkte Ansiedlung von Gewerbe, erzielt werden könnten.
Keine dieser Vorgaben wurde erkennbar umgesetzt! Stattdessen ist die Studie seltsam oberflächlich („Fachkräftemängel“), teilweise sogar falsch („Kriminalität“). Die Gewichtung der „Nutzwertanalyse“ ist weder nachvollziehbar noch überzeugend. Die wirtschaftlichen Vorteile (Einsparungen von ca. 1 % der Ausgaben) könnten sicherlich auch ohne vollständige Aufgabe der Eigenständigkeit der Gemeinde erzielt werden, zumal hierbei ein möglicher hauptamtlicher Stadtrat in Erlensee ebenso wenig berücksichtigt wurde wie die dort anstehende Rathaussanierung.
Die Machbarkeitsstudie ist daher sicherlich keine ausreichende Grundlage für eine verantwortungsvolle Entscheidung zugunsten einer Fusion. Dies wird übrigens selbst von Bürgern so gesehen, die einer Fusion grundsätzlich eher wohlwollend gegenüberstehen!
Dass sich nun ausgerechnet SPD-Politiker zum Anwalt der Bürgerinnen und Bürger aufschwingen, erscheint schon etwas grotesk angesichts des bisherigen Verlaufs des von der Bürgermeisterin im Alleingang initiierten Fusionsvorhabens. Es waren SPD-Politiker, die ohne Beteiligung der Bürger und Gremien eine „Lenkungs-(!)-Gruppe“ aufgestellt haben, der ausschließlich Befürworter der Fusion angehörten und die es zu verantworten hat, dass die „Bürgerbeteiligung“ sich im Wesentlichen darin erschöpfte, an einem Abend in eineinhalb Stunden bis zu sieben Worte auf eine oder mehrere Karteikarten zu schreiben, deren Ergebnis zwar präsentiert wurde, augenscheinlich aber keinen nennenswerten Eingang in die Studie fand.
Die SPD hat ihr Herz für die Bürger – deren Akzeptanz in der Studie noch als völlig unerheblich gewichtet wurde – offensichtlich erst entdeckt, seit deutlich wird, dass eine parlamentarische Mehrheit für die Fusion in Neuberg in weite Ferne gerückt sein könnte.
Andreas Weiß
Neuberg
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