(pm/ea) – Es gab zwei Großereignisse an jenem Samstag: Eine royale Hochzeit im fernen Britannien und ein Fußballspiel im fernen Berlin – mit gutem Ende für die Eintracht. Es gab aber auch ein Konzert, das zwar in einer völlig anderen Besucherliga, aber deshalb nicht minder bemerkenswert war.
Mit „Welcome to Broadway“ zeigte sich die Paul-Hindemith-Musikschule Hanau und Bruchköbel (PHM) im Bürgerhaus Bruchköbel von einer beeindruckenden und so nicht zu erwartenden Vielseitigkeit. Auf ganz hohem Niveau mit viel Spiel- und Sangesfreude agierend begeisterten vor allem die Schülerinnen und Schüler das Publikum mit einem Streifzug durch über 70 Jahre Broadway-Geschichte.
Dementsprechend liest sich das Programm mit Komponisten wie etwa George Gershwin, Leonard Bernstein, Frederick Loewe, John Kander, Louis Prima oder die Sherman-Brüder wie das „Who is who“ des Broadways. Hinzu kommen hochkarätige und sehr anspruchsvolle Ausschnitte aus bekannten Broadway-Produktionen wie „Mary Poppins“, dem legendären „Dschungelbuch“, „My Fair Lady“, „Aladdin“ „Porgy and Bess“ und der „West Side Story“. Also ein sehr ambitioniertes Programm, das durchaus auch professionellen Ansprüchen genügen würde.
Nachdem Bruchköbels Bürgermeister Günther Maibach und Hanaus Stadtverordneten-vorsteherin Beate Funck die Gäste offiziell willkommen geheißen hatten, gehört die Bühne dem PHM-Moderatorenpaar Giuliana Klaus und Lorenz Pick, die die Gäste sehr charmant durch den Abend führen. Und der beginnt ganz stilecht mit der „21-Century-Fox“-Fanfare, dargeboten vom „Mobilen Blechschaden der PHM“. Eine sehr ungewöhnliche Performance hatte sich die Rhythmik-Abteilung in freier Anlehnung an „Stomp“ ausgedacht. Die rhythmischen Kapriolen dargeboten mittels Basketbällen, Besen, Eimern und ausgedienten Schultafeln als „Schlagzeug“ unter der Leitung von Gabor Kovacs sorgen für den perfekten Einstieg. Dem folgt ein fulminantes Flügel-Solo von Marlene Jacobs mit Gershwins „The man I love“.
Die junge Gesangsschülerin Josephine Oeß verwöhnt dann die Ohren mit einem hingebungsvoll dargebotenen „No one else“ in erstaunlicher Reife, ganz rein in der Intonation gepaart mit großem Ausdrucksvermögen, kongenial begleitet von Josua Cho am Klavier. George Bensons sozialkritisches „On broadway“ und Lous Primas treibender „Jump, Jive an Wall“ sorgt in der Ausführung des „Mobilen Blechschadens“ für einen rhythmischen Kontrapunkt. „My shot“ aus dem Musical „Hamilton“ kommt tatsächlich wie aus der Pistole geschossen „gerappt“ von Yasmin Reusing, bevor dann Marlene Jacobs von Helene Streck am Klavier begleitet das Publikum im „Cabaret“ willkommen heißt. Zuvor gibt es noch ein
feingesponnenes Duo mit „It ain’t necessarily so“ von Anne Paul (Violine) und Philip Kapala (Klavier) zu hören.
„Eine derartige Qualität hätte ich so von einer Musikschule gar nicht erwartet“, lautet ein erstaunter Kommentar zum bisherigen Bühnengeschehen. Dem setzt dann das PHM-Jugendorchester unter Leitung von Tim Dokter nach der Pause die Krone auf. Dokter, der nicht nur den Dirigentenstab führt, hatte mit seinen eigens gefertigten Arrangements einen „Maßanzug“ für das Orchester gefertigt. So wundert es auch nicht, dass die jungen Musikerinnen und Musiker ein brillantes Orchester-Feuerwerk der ganz feinen Art abfeuern, das in seiner dargebotenen Vielfältigkeit keine Wünsche offen lässt. Das Orchester präsentiert sich als ein in sich homogener Klangkörper, fein austariert zwischen den Blech- und Holzbläsern, wobei die Rhythmusgruppe immer genau auf den Punkt für erstaunliche Kontraste und Tempowechsel sorgt. Dabei zeigt sich, dass das Orchester im Gegensatz zum „Rhythm ‚n‘ Dance“-Programm vor zwei Jahren nochmal einen großen Qualitätssprung hingelegt hat – Tim Dokter hat hier in den zahlreichen Proben zusammen mit seinen sehr niveauvollen Arrangements ganze Arbeit geleistet, kann er zudem seine Musikerschar zu wahren Höchstleistungen an ihren Instrumenten animieren.
So spürt man die Bilder, die die Musik erzeugen kann, förmlich im Kopf-Kino an sich vorbeirauschen. Etwa wenn die Klarinetten und Flöten glucksend Colonel Hathi’s Elefanten-Patrouille aufmarschieren lassen oder die Streicher mit Gene Kelly („I’m singing in the rain“) ganz leichtfüßig durch den Regen tanzen. Schweißtreibend kommt die schwüle Hitze in „Summertime“ herüber, in aufgeregter Eile erscheint Professor Doolittle, der rechtzeitig zu seiner Hochzeit gelangen will („Get me to the church on time“). Immer wieder erstaunlich, wie präzise das Orchester die vielen Tempowechsel übernimmt und die plötzlichen Dynamik-Wechsel, die Dokter in seinen Medleys eingebaut hat, von fordernden Forte-Passagen in dahingehauchte Pianissimi sehr harmonisch umsetzt. Das Licht- und Toningenieur-Team um Anton Kraus und Sebastian Heil rücken die Musik mir ihrer phantasievollen Lichtregie ins rechte Licht, so dass hier nicht nur die Ohren, sondern auch die Augen verwöhnt werden.
Das Publikum ist am Ende völlig aus dem Häuschen und spendet den jungen Instrumentalisten und Gesangsstars am Ende minutenlange stehende Ovationen. Und ganz im Stile eines charmant-lässigen Frank Sinatra intoniert das Orchester ein sehr emotional dargebrachtes „My way“, sozusagen als Abschiedsmelodie für einige der Orchestermitglieder, die nach bestandenem Abitur neue Wege gehen werden. Insgesamt also ein Konzert, das nicht nur durch seine hohe Qualität zu begeistern wusste, sondern auch von den liebevollen, empathischen und mit Herz dargebotenen Beiträgen der PHM-Schüler getragen wurde.
Foto: PHM