(pm/ea) – Mit einem offenen Brief wendet sich die Interessengemeinschaft (IG) Mittelbuchen Nord-West an die Hanauer Stadtverordneten.
Der Brief im Wortlaut:
An die Stadtverordneten der Stadt Hanau
Nachrichtlich an die
Bundespartei BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN,SPD,CDU,FDP
Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Priska Hinz persönlich
Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Svenja Schulze persönlich
Sehr geehrte Damen und Herren,
bei meinen Recherchen habe ich mit großer Verwunderung den vereinbarten Koalitionsvertrag der Stadt Hanau aus 2016 gelesen.
Vereinbart wurde im Vorfeld die Umsetzung des Baugebietes Mittelbuchen Nord- West unter folgenden Bedingungen.
Zitat:
In dem Wissen, dass die getroffenen Vereinbarungen die Grundlage und der Rahmen für das gemeinsame Handeln sind und daher auch geschlossen miteinander verfolgt, ausgestaltet und umgesetzt werden müssen.
In der Zielsetzung, dass diese Vereinbarung über die Zusammenarbeit bis 2021 von den beteiligten politischen Gruppierungen für die gesamte Wahlperiode bejaht wird.
Und weiter ist dort zu lesen:
Die vereinbarten und gemeinsam formulierten Stadtinteressen bilden dabei den obersten Grundsatz. Im Zweifel gilt es, diese festgelegten Interessen auch gemeinsam gegen andere staatliche Ebenen und Behörden durchzusetzen, unabhängig von deren parteipolitischer Zusammensetzung. Dies gilt insbesondere für die Zusammensetzung der jeweils aktuell im Amt befindlichen Bundes-und Landesregierung. Das berechtigte Interesse der Einwohnerinnen und Einwohner und die Interessen der Stadt Hanau wiegen dabei stets deutlich schwerer als das jeweilige Parteibuch.
Seite 34: Bei wichtigen kommunalpolitischen Fragen verfolgen wir das Ziel,geschlossen abzustimmen. Bei nicht zu erreichender gemeinsamer Linie,
ist die Handlungsfähigkeit dadurch zu gewährleisten, dass allenfalls eine Stimmenthaltung zulässig ist.
Der Koalitionsvertrag von Hessen ist da etwas anders aufgestellt. Zudem zum Inhalt folgende gekürzte Zitate:
Unser Ziel ist es, den Flächenverbrauch zu senken und die Ziele der Nachhaltigkeitskonferenz ehrgeizig weiterzuentwickeln. Zum Erhalt dieser natürlichen Lebensgrundlagen setzen wir uns für die schonende, effiziente Nutzung von Flächen und Böden ein. Deshalb werden wir einem übermäßigen Flächen- und Bodenverbrauch entgegenwirken. Daher wollen wir ein Aktionsbündnis ‚Flächen gewinnen in Hessen‘ mit allen relevanten Akteuren gründen.
Wir wollen Hessens einzigartige Landschaft und Natur um ihrer selbst willen und für uns Menschen erhalten. Der Schutz der Artenvielfalt und Lebensräume ist von besonderer Bedeutung.
Wir wollen dem Artenverlust auch in Hessen Einhalt gebieten.
Aus dem Bundesprogramm Bündnis90/Die Grünen ist zu lesen (gekürzte Zitate):
Wer die Umwelt schützt, kämpft für eine lebenswerte und gerechte Welt für alle.
Wir wollen das Verramschen unserer Umwelt beenden. Unser Ziel ist es, eine lebenswerte Welt auch für unsere Kinder und die kommenden Generationen zu erhalten.
Dafür streiten wir mit Leidenschaft.
Weites Zitat: Um die biologische Vielfalt zu schützen, werden wir dafür sorgen, dass die bestehende Gesetzgebung im Naturschutzbereich konsequent umgesetzt und wo nötig an die Erfordernisse des Naturschutzes angepasst wird. .
Immer neue Gewerbegebiete, Straßen und Siedlungen planieren die Natur zu und zerstören die letzten wilden Lebensräume für viele Tiere und Pflanzen. Wir GRÜNE wollen stattdessen Wildnis zulassen.
Weiteres Zitat:
Für unseren Siedlungs- und Infrastrukturbedarf kann durch Umnutzung und Nachverdichtung ausreichend Platz gefunden werden.
Weiteres Zitat:
Bei Eingriffen in die Natur werden wir die Ausgleichsregelungen so gestalten, dass stets der größte Nutzen für die Natur und den Naturschutz erreicht wird.
Die Leidenschaft der grünen Stadtverordneten von Hanau ist da offensichtlich nicht entfacht und wie passt das bitte alles zusammen?
Das gerade die betroffenen Böden zwischen Hanau- Mittelbuchen und Maintal-Wachenbuchen zu den besten und ertragreichsten Böden von ganz Hessen gehören und damit auch die Lebensgrundlage der streng zu schützenden Feldhamster darstellen ist mittlerweile bekannt. Ebenso das bereits realisierte Baugebiet Mittelbuchen West mit seinen 11 Hektar, das bestes Ackerland und somit den Lebensraum von streng zu schützenden Tierarten und anderen Agrartieren vernichtet hat (ohne die notwendige Artenschutzprüfung und dem Ausgleich).
Die Auswirkung des weiteren geplanten Baugebietes Mittelbuchen Nordwest hat auf die bestehende Feldhamsterpopulation weitreichende Folgen, wir sprechen also von einem großen Biodiversitätsschaden, doch die Auswirkungen eines solchen Eingriffes werden leider weiter verharmlost, ja fast verniedlicht. Ich habe Ihnen aus diesem Grund eine Veröffentlichung aus Mannheim angehängt, mit langjährigen und seriösen Zahlen und Aufzeichnungen (markante Aussagen gelb unterlegt) und bitte Sie sich der Informationen anzunehmen.
Ebenso liegen mir umfangreiche Informationen zum vielgerühmten Braunschweiger Modell vor, dass bei Ausgleichsmaßnahmen in Feldhamsterlebensräume paradiesische Zustände für
die Tiere schaffen soll und damit einen Flächenausgleich von weit weniger als von 1:1 begründet. Es gibt in Braunschweig weder eine explosionsartig vermehrte
Metapopulation, noch kann man auf 10 Hektar eine überlebensfähige Population auf Dauer“ züchten“. In diesen Landkreisen findet sich das gleiche traurige Bild, wie im Rest der Bundesrepublik Deutschland, wieder und das heißt eine weiter dramatisch abnehmende Bestandszahl von diesen, nach EU-Recht, streng zu schützenden Tieren, da den Tieren einfach der notwendige Lebensraum genommen oder zerschnitten wurde. Immerhin wurde bereits in 11 Bundesländern der Feldhamster durch diese gängige Praxis von Umsiedlung und Ausgleichsmaßnahmen zum aussterben gebracht.
Was spricht also gegen einen konsequenten Schutz noch vorhandener kleiner Restpopulationen ( wie per FFH-Richtlinie auch gefordert, Definition günstiger Erhaltungszustand) bevor
man teure Wiederansiedlungsmaßnahmen umsetzt, Vertragsverletzungsverfahren mit seinen Strafzahlungen in Millionenhöhe riskiert, bzw. die Tiere später nur im Opel-Zoo bewundern kann. Offensichtlich werden finanzielle Interessen von Kommunen oder Städte höher gewichtet als gesetzliche Vorgaben der EU (FFH-Richtlinie) und werden über den Artenschutz gestellt.
Fängt vernünftige Politik und deren korrekte gesetzliche Umsetzung nicht an der Basis an?
Kommunen, Städte und Länder sollten voneinander lernen und nicht immer wieder dieselben Fehler zu Lasten unserer Natur-, Tier- und Pflanzenwelt begehen.
Ein günstiger Erhaltungszustand dieser mittlerweile sehr seltenen und hübsch anzusehenden Tierart Feldhamster wird bei 1500 Tieren auf 600 Hektar vorgegeben.
Von diesen Traumzahlen sind wir in Deutschland weit entfernt. Die Populationen Bergen-Enkheim, Bischofsheim, Hochstadt sind weitestgehend zusammengebrochen, lediglich zwischen
Maintal-Wachenbuchen und Hanau- Mittelbuchen befindet sich ein sensibles Kernvorkommen, das bereits langjährig überwacht und durch Vertragsmaßnahmen (finanziert durch das Land Hessen und Naturschutzverbänden) gestützt wird und dass bei entsprechend weiteren Stützmaßnahmen in der Lage sein könnte dauerhaft zu überleben und verwaiste Gebiete mit „Leben „ befüllen kann.
Das ist der traurige Rest der so gerühmten MKK-Population. Auffällig ist die Tatsache, dass die Gebiete mit erhöhter Frequentation durch Freizeitsuchende vermehrt von den Tieren nicht mehr besiedelt werden, aus diesem Grund sieht man auch nur noch sehr selten unseren Feldhasen und die Feldlerche bzw. das Rebhuhn, das ebenfalls noch zwischen Mittel-und Wachenbuchen heimisch ist. 123 Wohneinheiten bedeuten für dieses kleine, noch durch Menschen seltener frequentierte Gebiet, mit dem Zuzug von 350-400 Menschen, eine nicht mehr tolerierbare Belastung und stellt auch für die dort noch lebenden und zurückgezogenen Feldhamster eine ganz massive Bedrohung, schon alleine durch die weiteren Haustiere dar.
Die jetzige Vorgehensweise der Stadt Hanau durch zu tiefes Pflügen ( ohne Billigung der Feldhamsterexperten) direkt vor Ostern hat nicht nur die bereits in Besitz genommenen Feldlerchenreviere vernichtet, sondern auch mit großer Wahrscheinlichkeit bereits abgelegte Junghasen ( durch die vorhandene Schutzwirkung des Pflanzenbewuchses) lebendig umgepflügt.
Die aus dem Winterschlaf erwachenden Feldhamster, die auf Nahrung angewiesen sind, befinden sich nun ohne Deckung auf einer umgepflügten Kraterlandschaft und sind einem erhöhten Tötungsrisiko durch natürliche Beutegreifer, aber auch freilaufenden Hunden und Katzen bewusst ausgesetzt worden. Die Überlebenschance der dort lebenden Tiere wurde durch diese bereits bauvorbereitende Maßnahme / Vergrämung /massiv reduziert. Alle Verantwortlichen, einschließlich der Mitarbeiter der weisungsbefugten unteren Naturschutzbehörde (die Herrn Oberbürgermeister direkt unterstellt sind) wissen das.
Daher eine Frage an die Parteispitze und die Ministerien: Wie kann es sein, das eine weisungsbefugte untere Naturschutzbehörde direkt einer planenden Stadt sprich OB unterstellt ist und in wie weit (siehe Koalitionsvertrag oben), wird dieser seine Interessen durchsetzen?
Ausgerechnet so ein, für Hanauer Verhältnisse, kleines Neubaugebiet mit seinen 4 Hektar, mit Blick auf einen wunderschönen Sonnenuntergang, für finanziell besser gestellte zukünftige Hausbesitzer, platziert in einem Gebiet das Lebensraum der letzten auf Dauer überlebensfähigen Feldhamsterpopulation von ganz Hessen darstellt, hat einen so großen Stellenwert für die beteiligte Personen, dass es namentlich in der Vereinbarung aufgeführt wird (mit Alleinauftrag für die Firma Bien Ries AG).
Ein Koalitionsvertrag der nicht allgemeine Inhalte, sondern im Vorfeld konkrete Bauvorhaben vereinbart und sich zudem von den Vorgaben und Parteiinhalten von Bund und Ländern distanziert, stellt für mich kein demokratisches Verhalten dar, sondern unterbindet die freie und unbeeinflusste Abwägung von Interessenskonflikten z.B. des Arten- und Naturschutzes,
berücksichtigt nicht die Einwendungen und untergräbt im Vorfeld eine neutrale Meinungsbildung der abzustimmenden Stadtverordneten, die ohnehin nur noch eine öffentliche Farce darstellt. Warum Hanauer Bürger überhaupt noch eine Partei wählen, sollte man ohnehin mal hinterfragen.
Des Weiteren stellt sich die Frage, ob dieser Koalitionsvertrag gesetzliche Vorgaben eines Bebauungsplanes untergräbt. Lt. BauGB werden ja gewisse Anforderungen gestellt.
Der sogenannte Faktencheck, vorgetragen durch den OB Kaminsky als Antwort auf meine Mail an die Stadtverordneten, Presseveröffentlichungen, dass es sich um Tiere handelt, die sich auf der Durchreise befinden, geplante CEF-Maßnahmen (um eine Ausnahme zu umgehen) die nicht die Anforderungen von CEF-Maßnahmen erfüllen, Lt. Anlage 14 Bebauungsplan, dass die Ausgleichsflächen an den Vorhabens Träger verkauft werden sollen, Zahlungen von 350.000,-€ der Firma Bien Ries AG für Ausgleichsmaßnahmen und Zahlung von Folgekosten 500.000,-€ für Kinderbetreuungsplätze ( die sich Hanau finanziell nicht leisten kann) an die Stadt Hanau, die nicht, wie von der oberen Naturschutzbehörde vorgegebene Alternativprüfung, breitgestellte Ausgleichsflächen die für Jagdhundeprüfungen genutzt werden und eine Ausgleichsfläche die im Frühjahr zeitweise unter Wasser stand, runden das Bild ab.
Jeder Stadtverordnete der nach Eingang der Einwendungen, gerade auch die der Naturschutzverbände, diesem Bauprojekt zustimmt unterstelle ich eine Befangenheit aus diesem Koalitionsvertrag und frage mich wer in diesem Disput die vielzitierten Partikularinteressen tatsächlich auslebt. Zudem weise ich ausdrücklich nochmals darauf hin, dass Verbote gegen das Artenschutzrecht erfüllt sind und finanziell geförderte EU Monitoring Flächen, von Feldhamstern überbaut werden.
Das hat zur Folge dass sich automatisch der Erhaltungszustand der Feldhamster weiter verschlechtert und die EU ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren einleiten kann.
Die EU wurde von mir schon umfangreich informiert, ein Schreiben der EU dass keine Ausnahme möglich ist, liegt der Stadt Hanau bereits vor.
Mit freundlichen Grüßen
Heidi Ohl
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