(pm/ea) – „Pioniere bauen Brücken“ – so lautet das inoffizielle Motto der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge (HEAE) in Hanau.
Das ist durchaus im doppelten Sinne zu verstehen: Zum einen erklärt sich der Wahlspruch aus der unmittelbaren Nachbarschaft der HEAE zur ehemaligen Pioneer-Kaserne der US-Armee, zum anderen verstehen sich Mitarbeiter und Bewohner aber auch als Brückenbauer auf bislang unbekanntem Terrain. Zum wiederholten Male besuchte die Hanauer Bundestagsabgeordnete Dr. Katja Leikert die Einrichtung, um sich mit Mitarbeitern, Vertretern des Regierungspräsidiums und Bewohnern über deren Erfahrungen, Wünsche an die Politik und Probleme vor Ort auszutauschen.
Entstanden ist die HEAE, die von Beginn an von der Johanniter Unfallhilfe (Regionalverband Hanau und Main-Kinzig) betrieben wird und dem Regierungspräsidium in Gießen untersteht, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Wer die Anfänge in der Notunterkunft in der August-Schärttner-Halle 2015 erlebt hat, der reibt sich heute mitunter verwundert die Augen, wenn er durch die ehemalige Elementary School der Sportsfield Housing Area, das Herzstück der Einrichtung, läuft. Statt in Massenunterkünften in drangvoller Enge leben die Menschen hier einen gut strukturierten Alltag, der sich an festen Regeln orientiert.
Breiten Raum nimmt dabei das Thema Bildung ein. Seit November 2015 bis heute wird an fünf Tagen in der Woche, vormittags und nachmittags, fast durchgehend Deutschunterricht angeboten. Im September 2016 starteten die Erstorientierungskurse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, die sehr gut angenommen werden. 300 Unterrichtseinheiten, unterteilt in unterschiedliche Module wie z.B. zum Thema „Einkaufen“, stehen auf dem Stundenplan. Hinzu kommen Rechtsstaatsklassen des Hessischen Justizministeriums, vor Ort organisiert durch das Landgericht Hanau, aber auch Mathematik- und Computerunterricht oder vermeintlich einfache Aufgaben wie die Vermittlung von Alltagskompetenzen wie z.B. Mülltrennung. Auch praktische Fähigkeiten kommen nicht zu kurz, hierfür stehen eine Schneiderwerkstatt und ein Werkraum mit Arbeitsbänken bereit. Darüber hinaus gibt es eigene Angebote für Kinder und Jugendliche, die während ihres Aufenthalts in der Erstaufnahmeeinrichtung eigentlich von der Schulpflicht freigestellt sind.
„Aus unserer Sicht wäre es allerdings fatal, wenn gerade Kinder und Jugendliche in diesem Alter vom Unterricht ausgeschlossen wären“, betont Dr. Benjamin Bieber, Projektkoordinator Flüchtlingshilfe der Johanniter. Er ist, ebenso wie Ralf Stettner, Leiter der Abteilung für Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und Integration beim RP, davon überzeugt, dass gerade die Strukturierung des Alltags sowie die Suche nach pragmatischen Lösungen dazu beigetragen hat, den sozialen Frieden in der Einrichtung bis auf wenige kleinere Zwischenfälle zu wahren. Eine Besonderheit ist die enge Kooperation der HEAE mit der Gemeinschaftsunterkunft der Stadt Hanau im Bildungsbereich. So werden u.a. niedrigschwellige Deutschkurse der VHS und Integrationskurse in den Räumen der HEAE angeboten.
Katja Leikert, die während ihres Besuchs den Unterricht in mehreren Klassen live miterleben durfte, zeigte sich beeindruckt vom Engagement der Mitarbeiter, aber auch vom offenkundigen Lernwillen der allermeisten Bewohner. „Was Sie hier leisten, verdient jede Art von Unterstützung“, betonte die CDU-Politikerin. Angesichts der Tatsache, dass zwar 75 Prozent der registrierten Flüchtlinge nach eigenen Angaben einen Schulabschluss haben, dieser aber nur schwer mit deutschen Abschlüssen zu vergleichen ist und nach Auskunft von Ralf Stettner nur in rund 20 Prozent der Fälle einem Berufsschulabschluss entspricht, keine leichte Aufgabe, die nur mit viel Geduld und Herzblut zu bewältigen sei.
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