(pm/ea) – „Unsere Gesellschaft lebt davon, dass wir uns füreinander interessieren. Wenn dies jedoch ohne Rücksicht auf die Opfer geschieht, setzt das Gaffertum ein“, erklärte Tanit Koch, Chefredakteurin der BILD-Zeitung, im Fachgespräch mit Hartmut Ziebs, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), beim 7. DFV-Bundesfachkongress, bei dem es unter anderem auch um „Social Media“ und den Einsatz von Drohnen ging.
Neben den Themen „Umgang mit Gaffern“ und „Angriffe auf Einsatzkräfte“ stellte sich die Zeitungschefin auch Ziebs‘ Fragen zur medialen Aufarbeitung von besonderen Einsatzlagen: „Berichterstattung bei Terrorlagen ist kein Voyeurismus, sondern eine Information der Bevölkerung“, erläuterte sie ihren Standpunkt.
Das Fachgespräch bildete den Auftakt zum 7. Bundesfachkongress des DFV, bei dem 240 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Deutschland die vier Module zur Fortbildung nutzten. „Ich freue mich über den Teilnehmerrekord; dies zeigt, dass wir mit unserem Themenangebot ins Ziel getroffen haben“, sagte DFV Präsident Ziebs zum Auftakt der Veranstaltung in Berlin.
Im Modul I „Technik“ befassten sich die Referenten mit aktuellen Neuerungen:
Drohnen können „multifunktionale Sensorträger zur Fernerkundung“ sein, erklärte Branddirektor Dr. Hauke Speth, Abteilungsleiter Aus- und Fortbildung der Berufsfeuerwehr Dortmund. Im Rahmen solcher Erkundungsmaßnahmen böten sich aber auch selbstdekontaminierende Sensoren für die Bestimmung der Ortsdosis oder Isotopen-Analysatoren an, erläuterte er die Einsatzmöglichkeiten der unbemannten ferngesteuerten Fluggeräte.
Branddirektor René Schubert, Amtsleiter der Feuerwehr Ratingen, stellte die Umsetzung der neuen Regelungen zum Trinkwasserschutz in die Praxis vor. Ziel solle es abschließend sein, dass „die erforderlichen technischen Bauteile in den Feuerlöscharmaturen verbaut werden, damit sich für die Feuerwehr keine Abläufe ändern“, so Schubert. Die abschließende Normung stehe noch aus, mit Zukunftsperspektive zuverlässige Beschaffungen seien dann möglich.
Im Modul II „Kommunikation“ stand der Umgang mit Krisen im Mittelpunkt:
Gert van Bortel, BASF-Werkfeuerwehr Ludwigshafen, beleuchtete das Explosionsunglück mit mehreren Toten: „Diejenigen, die mit unseren verletzten Kollegen in Kontakt gekommen sind, waren sehr schwer aktiv einzusetzen“, erklärte er im Hinblick auf die Betroffenheit der eigenen Kräfte. Die Nachsorge läuft weiter: „Es gibt hier nicht eine Lösung und das wird uns noch eine Zeit beschäftigen.“
Social-Media-Expertin Dajana Hoffmann erläuterte, wie Feuerwehren Krisen in den sozialen Medien bewältigen können. „Jede Lüge wird entlarvt. Es daher wichtig auf gleicher Augenhöhe mit Fans und Followern zu kommunizieren“, riet sie den Feuerwehr-Führungskräften. Die Community solle zudem nicht erst im Notfall aufgebaut werden, sondern vorher bereits auf den verschiedenen Plattformen etabliert sein.
Im Modul III „Ausbildung“ ging es um Rahmenbedingungen und gelebte Praxis:
„Wir müssen davon wegkommen, Stunden und Minuten zu sammeln, sondern Kompetenz vermitteln“, berichtete der Leitende Branddirektor Dr. Roland Demke, Leiter der Staatlichen Feuerwehrschule Würzburg und Vorsitzender der Projektgruppe Feuerwehrdienstvorschriften, von der Überarbeitung der Feuerwehr-Dienstvorschrift 2. Aktuell werde kritisiert, dass „Feuerwehr“ für Quereinsteiger kaum mehr zu erlernen sei.
Michael Klein, Leiter der Projektgruppe „Kinder in der Feuerwehr“ von DFV und Deutscher Jugendfeuerwehr, stellte die Bedeutung von Kindergruppen in der Feuerwehr heraus: „Wir müssen die Lücke zwischen der Brandschutzerziehung und der Jugendfeuerwehr schließen.“ Was für Feuerwehrangehörige banaler Alltag sei, fasziniere Kinder.
Der Umgang mit besonderen Lagen war Thema des Moduls IV „Einsatz“:
„Zielgerichtetes und ergebnisorientiertes Arbeiten“ lag nach Ansicht von Wilfried Gräfling, Landesbranddirektor der Berliner Feuerwehr, dem gelungenen Einsatz am Breitscheidplatz zu Grunde. „Dazu gehörte, sich während des laufenden Einsatzes bereits der durch die Umstände hervorgerufenen psychischen Belastung bewusst zu werden und frühzeitig für eine professionelle Nachbereitung zu sorgen“, resümierte er die Terrorlage. „Nicht Terror per se ist verantwortlich für Angst von Einsatzkräften, sondern die Terrorvermutung“, berichtete Leitender Branddirektor Thomas Lembeck, Vorsitzender des Arbeitskreises Ausbildung der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren. Ein wichtiger Faktor für die professionelle Arbeit der Feuerwehrangehörigen vor Ort sei daher der Informationsfluss: Alle sollten den gleichen Wissensstand haben.
Die Präsentationen der Referierenden werden, soweit möglich, unter www.feuerwehrverband.de/bundesfachkongress.html zum Download gestellt.