(pm/ea) – Seit über einem Jahr bietet das Klinikum Hanau Schlaganfall-Patienten eine moderne Methode zur Entfernung von Blutgerinnseln an. Diese senkt sowohl die Sterberate deutlich als auch die Zahl derer, die nach einem schweren Schlaganfall bleibende Behinderungen davontragen.
Mittlerweile konnten über 60 Schlaganfall-Patienten mit der sogenannten Thrombektomie behandelt werden. Die Experten aus Radiologie, Neurologie und Anästhesie können nun ein positives Fazit ziehen. „In über 90 Prozent der Fälle konnten wir das Gerinnsel entfernen und das verschlossene Gefäß somit wiedereröffnen“, erklärt Prof. Dr. med. Christopher Bangard aus dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie. Dies ist Voraussetzung dafür, dass sich der Patient überhaupt wieder erholen kann. „Zirka jeder dritte Patient behält keine gravierenden Bleibeschäden und kann nach der Behandlung wieder unabhängig weiterleben“, schätzt Dr. med. Sven Thonke, Chefarzt der Klinik für Neurologie.
Eine Thrombektomie wird mit einem sogenannten „Stent Retriever“ (Draht mit Drahtgeflecht) durchgeführt. Dieser wird über die Leiste durch die Halsschlagader in das verschlossene Gefäß eingeführt, hakt sich in dem Blutgerinnsel fest und kann zusammen mit dem Thrombus herausgezogen werden. Filigrane Höchstleistungsmedizintechnik, für die es Fingerspitzengefühl, eine ruhige Hand und vor allem die Schnelligkeit eines Experten-Teams bedarf. Am Klinikum Hanau hat sich die Durchführung dieses speziellen Verfahrens nun eingespielt: Radiologen, Neurologen und Anästhesisten arbeiten Hand in Hand, um Patienten mit der für sie optimalen Therapie zu behandeln. „Von der Einlieferung bis zur Entfernung des Thrombus benötigen wir im besten Fall nur eine Stunde“, sagt Thonke. „Das liegt unter anderem daran, dass wir hier im Klinikum alles vor Ort haben und lange Transportwege wegfallen. Ganz wichtig ist hierbei die Zusammenarbeit mit der Anästhesie unter Leitung von PD Dr. med. Marco Gruß, die die schnelle Behandlung überhaupt möglich macht.“
Die Thrombektomie kann in Kombination mit der sogenannten Thrombolyse, d.h. eine medikamentöse Auflösung eines Blutgerinnsels, kombiniert werden. „Für zirka 5 – 10 Prozent der Patienten ist das die optimale Behandlung – während der Patient mit der Lysetherapie versorgt wird, kann der Eingriff mit dem Stent Retriever parallel dazu bereits erfolgen“, erläutert Radiologe Bangard. In einzelnen Fällen kann die Behandlung mit dem Stent Retriever auch allein erfolgen. Beispielsweise könne man bei einigen Patienten auch nach sechs Stunden, wenn keine Lysetherapie mehr erfolgen kann, das Blutgerinnsel mit dem Stent Retriever entfernen.
Der wissenschaftliche Durchbruch für die Behandlung erfolgte erst 2015. Das Klinikum Hanau ist eines von nur elf Schlaganfallkliniken in Hessen, die ihren Patienten dieses neuartige Verfahren anbieten können. Daher ist es auch schon zur Verlegung von Patienten aus anderen Kliniken nach Hanau gekommen. Diese wurden unter Lysetherapie ans Klinikum Hanau transportiert, damit dort eine Thrombektomie erfolgen konnte. Momentan erarbeiten die Experten des Klinikums gemeinsam mit dem Rettungsdienst Kriterien für die primäre Übernahme von bestimmten Patienten in das Thrombektomiezentrum am Klinikum Hanau. „Wir sind stolz, dass wir als einzige Klinik im Main-Kinzig-Kreis der Gemeinschaft der hessischen Thrombektomiezentren angehören und unseren Schlaganfall-Patienten jederzeit die bestmögliche Behandlung anbieten können“, unterstreicht Geschäftsführer Volkmar Bölke.
Die aus den bisher erfolgten Behandlungen ermittelten Patientendaten werden zur Nachvollziehbarkeit der Qualität künftig von den Thrombektomiezentren an ein zentrales bundesweites Register übermittelt. Dort wird nicht nur die Rekanalisationsquote (wie oft das Gefäß wiedereröffnet werden konnte) ausgewertet, sondern auch die Langzeitergebnisse betrachtet. Die Qualität der Schlaganfallbehandlung im Klinikum Hanau wird zusätzlich durch die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft und die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe geprüft. Diese zertifizieren regelmäßig die Stroke Unit (Schlaganfallspezialstation) des Klinikums Hanau. Darüber hinaus nimmt das Klinikum Hanau an der verpflichtenden Qualitätsbeurteilung der Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen (GQH) teil.
Insgesamt werden am Klinikum Hanau jährlich zirka 800 Schlaganfallpatienten eingeliefert. „Das neue Verfahren ist dabei altersunabhängig einsetzbar, das heißt auch über 90-Jährige können noch von dem neuen Verfahren profitieren“, so Thonke. Aber der Chefarzt hebt hervor: „Sowohl die Lysetherapie als auch die Thrombektomie kommen nur dann in Frage, wenn die Patienten früh bei uns sind, das heißt, bei jedem Verdacht auf einen Schlaganfall sofort über die Notrufnummer 112 den Krankenwagen rufen und sich so schnell wie möglich ins Klinikum Hanau bringen lassen.“
Auf dem Foto v.l.: Dr. med. Sven Thonke, Chefarzt der Klinik für Neurologie, und Prof. Dr. Christopher Bangard, Chefarzt des Instituts für Radiologie
Foto: Klinikum Hanau