(pm/ea) – Christian Posch (Name geändert) ist in kürzester Zeit von weit oben nach ganz unten gefallen. Die Firma lief gut, das Haus in einem Münchner Vorort konnte sich sehen lassen, mit Frau und Tochter lebte er dort glücklich und zufrieden. Heute weiß er: vermeintlich glücklich und zufrieden.
Als er eines Abends aus dem Büro nach Hause kam, war die Wohnung leer – die Möbel, die Bilder, alles weg, blitzblank, nicht mal eine Fußmatte oder ein Stück Seife waren zurückgeblieben. Frau und Tochter hat er bis heute nicht mehr wiedergesehen.
Absturz. Alkohol, Firmeninsolvenz, Privatinsolvenz, Zwangsversteigerung. Endstation Straße.
Christian Posch erzählt seine traurige Lebensgeschichte heute mit starker Stimme und klarer Sicht auf die Dinge. Und er freut sich sichtlich darüber, dass sich jemand für seine Geschichte interessiert. Die CDU-Landratskandidatin Srita Heide hat im Hanauer Franziskus-Haus in der Matthias-Daßbach-Straße Station gemacht, wohin es Posch schließlich verschlagen hat. Die Sozialeinrichtung der Ökumenischen Wohnungslosenhilfe in Trägerschaft des Caritas-Verbands für den Main-Kinzig-Kreis ist ein Zufluchtsort für wohnungslose Männer, Frauen und Paare, die in soziale Not geraten sind. Im vergangenen Jahr feierte das Franziskushaus unter Leitung von Michael Gänge sein 25-jähriges Bestehen.
„Von Wohnungslosen heißt es im allgemeinen Sprachgebrauch, dass sie am Rand der Gesellschaft leben. Doch das stimmt nicht: Sie leben mitten unter uns, nur dass es die meisten nicht wahrhaben wollen“, so Srita Heide. Sie hört sich noch zwei weitere Geschichten an, die ganz anders beginnen als die von Christian Posch, aber deren Verlauf am gleichen Ort endet: in der Obdachlosigkeit und schließlich im Franziskus-Haus.
„Wir behandeln unsere Gäste mit Respekt“, erzählt Gänge. „Dazu gehört auch, zu akzeptieren, wenn jemand keines unserer Hilfsangebote annehmen möchte. Den ersten Schritt muss ein Wohnungsloser immer selbst machen.“ 26 Hauptamtliche arbeiten hier. Es gibt Speisen und Getränke, auch Möglichkeiten zum Waschen der Kleider. In der Herberge stehen 15 Übernachtungsplätze für bis zu sieben Nächte zur Verfügung, im Übergangswohnheim gibt es 26 weitere.
Das Gespräch kommt auch auf politische Themen. Dass es Einzelne gibt, die sich für das Schicksal der Gestrauchelten interessieren, will Posch nicht leugnen. Er hat sich daran gewöhnt, dass die meisten aber davon nichts wissen wollen. Und die Politiker? Posch winkt ab. Er selbst gehe nicht wählen, aber er weiß von anderen Schicksalsgenossen, die ihr Kreuzchen bei populistischen Parteien machen, obwohl deren Anhänger Obdachlose oft für nichtsnutzige Versager halten. Aber das sei eben die einzige Möglichkeit, ein kleines bisschen gegen die Ignoranz der Regierenden zu protestieren.
Srita Heide zeigt sich dankbar für die Offenheit und setzt auch dieses Thema auf ihre Sozialagenda. „Obdachlose haben keine Lobby. Einrichtungen wie das Franziskushaus sind oft die einzigen Anlaufstellen. Hier wird tolle Arbeit geleistet. Aber oft wissen wir als Politiker viel zu wenig, welche akuten Problemen es gibt“, so Srita Heide. „Als Landrätin werde ich mich dafür einsetzen, dass es einen sozialen Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Betroffenen gibt. Man könnte beispielsweise einen regelmäßigen Stammtisch einrichten. Nur so lassen sich praxistaugliche Lösungen finden.“
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