(pm/ea) – Im Umfeld des Naturschutzgebietes (NSG) „Hässeler Weiher von Neuenhaßlau“ beginnen in den nächsten Tagen die ersten Maßnahmen zur Vorbereitung der ganzjährigen, extensiven Beweidung.
Bis Ende Juni soll der Unterstand gebaut werden, der den Heck-Rindern und Konik-Pferden, die noch in diesem Jahr angesiedelt werden sollen, bei Bedarf Schutz vor Wetter-Extremen bieten kann. Gesetzliche Auflagen schreiben einen ausreichenden Witterungsschutz für die Tiere vor. Hecken und Gehölze können diesen Zweck auch erfüllen, doch nur die Beobachtung der Tiere im Gelände kann zeigen, ob die natürliche Ausstattung der Weide den Rindern und Pferden ausreicht oder ob sie den Unterstand vorziehen.
Ziel des Beweidungsprojektes ist es laut Andreas Höfler, Arbeitskreissprecher der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON), das Naturschutzgebiet mit einem Teil seines Umfeldes nachhaltig und kostengünstig zu pflegen. Dabei wird mit Hilfe der Weidetiere im Kleinen die Situation nachempfunden, wie sie in Mitteleuropa vorherrschte bevor unsere Vorfahren einen Großteil der früheren Tierwelt ausgerottet hatten. Dies betraf in erster Linie die großen Arten wie Auerochse, Wisent, Wildpferd und eine Reihe weiterer Pflanzenfresser. Die Pflege des NSG sollen nun Heck-Rinder und Konik-Pferde durch eine Multispeziesbeweidung (Beweidung mit mehreren Weidetierarten) übernehmen. Beides sind sehr robuste Rassen, die den Wildformen Auerochse und Tarpan (europ. Wildpferd) sehr nahe kommen und das ganze Jahr über draußen leben können. Ähnlich wie in anderen Weideprojekten in Deutschland wird auch hier der überwiegend offene Charakter der Landschaft durch die großen Pflanzenfresser erhalten werden. Da Rinder und Pferde unterschiedliche Fressgewohnheiten haben werden sich durch das Verhalten der Tiere auch verschiedene Landschaftsstrukturen bilden, die dann ihrerseits den unterschiedlichsten Tier- und Pflanzenarten ein geeignetes Biotop bieten. Dadurch soll auch die Artenvielfalt des Gebietes insgesamt profitieren. Vielleicht wird die eine oder andere Art, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verschwunden ist wieder zurück kehren.
Eine sogenannte Zielart, auf deren Wiederbesiedlung des Gebietes die Initiatoren von der HGON hoffen ist der Kiebitz. „Er ist auf eine offene Landschaft mit lockerer Pflanzendecke und auch Stellen ohne Bewuchs angewiesen“, wie der Biologe und stellvertretende Vorsitzende der HGON Ralf Sauerbrei berichtet. „Eine sehr extensiv genutzte Weide bietet diese Gegebenheiten, da die Weidetiere das Gras in weiten Bereichen kurz halten und durch ihren Tritt dafür sorgen, dass es auch Rohbodenstellen gibt.“
Einen weiteren Vorteil dieses Pflegekonzeptes stellt das Zurückdrängen nicht heimischer Pflanzen dar. So konnte zum Beispiel das Indische Springkraut, das sich seit einiger Zeit in dem Gebiet stark ausbreitet, in ähnlichen Projekten erfolgreich bekämpft werden. Seine Bestände gingen durch die Beweidung stark zurück, während sich seltene heimische Pflanzen, darunter Besonderheiten wie verschiedene Orchideenarten, vermehren konnten. Davon könnte auch das in dem Gebiet vorkommende „Gefleckte Knabenkraut“ profitieren.
„Besonders wichtig ist, dass die Beweidung ganzjährig und unter extensiver Besatzdichte erfolgt. Dies hat gegenüber einer saisonalen Beweidung im Sommerhalbjahr einige wichtige Vorteile. Beispielsweise kann die Landschaft mit weniger Tieren offen gehalten werden, wenn diese das ganze Jahr über dort Fressen“, so Höfler. Dass der Verbiss an aufkommenden Bäumen und Büschen in erster Linie im Winter erfolgt, wenn weniger schmackhaftes Gras und Kräuter zur Verfügung stehen verstärkt diesen Effekt. Selbstverständlich sollen die Tiere auch im Winter nicht hungern, deshalb wird bei Bedarf durch die Projektbetreiber Heu zugefüttert. Auf keinen Fall dürfen die Tiere jedoch durch Spaziergänger gefüttert werden. Der das Projekt betreuende Tierarzt Nicki Schirm, vielen bekannt aus der VOX-TV-Serie „Menschen, Tiere und Doktoren“, erläutert: „Falsche Nahrung, besonders solche die eigentlich für den menschlichen Verzehr vorgesehen ist, kann bei Rindern oder Pferden zu gravierenden gesundheitlichen Problemen, bis hin zu einem sehr qualvollen Tod führen.“
Die Voraussetzungen für ein solches Beweidungsprojekt sind im Naturschutzgebiet „Hässeler Weiher“ optimal. Es bietet alles was die Weidetiere für ihr Wohlbefinden brauchen. Mit dem Birkigbach und zahlreichen Tümpeln ist genügend ganzjährig verfügbares Wasser vorhanden. Entlang der Bahnlinie befindet sich ein Sanddünenbereich, der auch nach langem und starkem Regen trockene liegeflächen bietet und auch beim größten Hochwasser nicht überflutet werden kann. Durch seine Gesamtgröße von etwa 20 Hektar bietet das Gebiet auch ausreichend Nahrung um die zunächst drei Pferde und fünf Rinder das ganze Jahr über zu ernähren.
Der Beginn der Beweidung ist für Ende Oktober geplant, wenn der Zaun errichtet ist. Dies kann wegen der dafür erforderlichen und erst wieder ab Anfang Oktober zulässigen Baumfällarbeiten erst danach erfolgen. Zunächst wird aber mit finanzieller Unterstützung des WWF bereits jetzt der Unterstand gebaut. Für die weiteren Investitionen für den Zaunbau wird die HGON außer vom Regierungspräsidium Darmstadt und der Unteren Naturschutzbehörde des Main-Kinzig-Kreises auch von der Fraport AG finanziell unterstützt. Neben HGON-eigenen Grundstücken stellen die benötigten Grundstücke zum Großteil das Land Hessen, die Gemeinde Hasselroth und die Bundesrepublik Deutschland, aber auch eine Reihe Privateigentümer sowie der NABU zur Verfügung.
Wenn auch Sie die Arbeit der HGON und das Beweidungprojekt unterstützen wollen, können Sie dies durch eine Spende auf das Konto der VR-Bank Rodenbach IBAN: DE80 5066 3699 0000 0871 30, BIC: GENODEF1RDB. tun oder auch ein Grundstück zur Verfügung stellen. Dies muss nicht unbedingt in unmittelbarer Nähe zum Hässeler Weiher liegen, denn es werden auch Äcker oder Wiesen benötigt um sie gegen Nachbarflächen der Weide mit dem jeweiligen Landwirt tauschen zu können. Beachten Sie bitte: Wenn Sie Ihren Namen und Ihre vollständige Adresse angeben, kann eine Spendenbescheinigung ausgestellt werden.
Bilder:
Kiebitz